Nerven bewahren, Emotionen hintanstellen, Vernunft und Erfahrung ins Zentrum der Entscheidungen rücken - und dabei nicht außer Acht lassen, dass letztlich nur das Wahren eines Mindestmaßes an Redlichkeit und Verfassungsgrundsätzen nachhaltig zu erfolgreicher Politik führt. Nicht aber zynische, zerstörerische Taktik. Das sind die Maximen, an die sich die politischen Anführer (nicht nur) der Regierungsparteien am Beginn dieser für die Zukunft der Koalition wohl entscheidenden Woche halten sollten.

Am Ende zu ihrem Vorteil. Denn wer derzeit die innenpolitischen Teile der Zeitungen studiert, dem wird leicht übel bei all der Kriegsrhetorik aus den zweiten und dritten Reihen, der Dauerberieselung mit Worten wie "Ultimatum", "Polit-Krieg", "Kanzlers Gruselkabinett" oder "Hetztiraden der ÖVP". Viele Wähler wenden sich angewidert ab. Das kann kein Parlamentarier wollen.

Zwei Dinge scheinen sicher zu sein: Wenn nicht ein Wunder geschieht, wird die SPÖ gemeinsam mit der Opposition und gegen den Willen ihres Koalitionspartners ÖVP die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu den Missbrauchsvorwürfen im Innenministerium beschließen. Die SPÖ-Zuspitzer wollen das, die Partei kann nicht mehr zurück, der Parteichef sieht schwach aus.

Und die ÖVP muss dann entscheiden, ob dieser "Bruch des Koalitionsabkommens" ausreicht, um die Regierung zu verlassen. Das ist praktisch auszuschließen. Neuwahlen können sich weder ÖVP noch SPÖ leisten. Beide würden verlieren, Kanzler Alfred Gusenbauer und sein Vize Wilhelm Molterer ihre politische Existenz aufs Spiel setzen.

Die beiden können also jetzt schon intensiv darüber nachdenken, wie sie auch unter der Bedingung eines laufenden U-Ausschusses in der großen Koalition weitermachen (müssen). Denn ein U-Ausschuss hat aller Erfahrung nach nicht das Ende des politischen Systems zur Folge (wie viele jetzt aufgeregt "gackern"), sondern im günstigen Fall eher eine "Reinigung" im politischen Vollzug - ein Bruch mit der Praxis früherer Regierungen -, sei es von dubiosen Personen oder durch bessere Gesetze.

Das hatten wir unter ganz anderen Umständen schon einmal - vor zwanzig Jahren unter SP-Kanzler Franz Vranitzky, als zwei U-Ausschüsse die schweren Missbräuche (durch SPÖ-Politiker) bei "Lucona"- und "Noricum"-Skandal das Koalitionsklima extrem belasteten. Damals war von vielen ein Absturz der SPÖ erwartet worden (am sehnlichsten von der ÖVP).

Der ist aber nicht eingetreten. Am Ende war "Teflon"-Kanzler Vranitzky sogar deutlich gestärkt, weil er durch die U-Ausschüsse die "Altlasten" aus der (in der SPÖ fast als "heilig" verehrten) Kreisky-Ära losgeworden ist; weil erst die präzisen Untersuchungen der Abgeordneten so manche Politiker- oder Beamtenkarriere zu Ende brachten, aber gleichzeitig auch die Pauschalverunglimpfungen gegen ganze Parteien oder ganze Ministerien aufhörten.

Aus diesen Erfahrungen lassen sich durchaus auch für die heutige Lage Parallelen ziehen. Das Wichtigste: Nicht immer kommt das heraus, was manche Parteistrategen sich vordergründig erwarten.

Auch heute können beide Parteichefs jetzt, wo die Koalition "am Scheideweg" (Gusenbauer) steht, gar nicht anders, als auch innerparteilich in die Offensive zu gehen in Bezug auf ihre Führungs- und Gestaltungskraft. Molterer hat dabei wahrscheinlich sogar die besseren Karten als Gusenbauer. Der drohende U-Ausschuss zum Innenministerium ist für den ÖVP-Chef persönlich - so merkwürdig das auf den ersten Blick klingen mag - die Chance einer "Klärung", um am Ende gestärkt daraus hervorzugehen: wenn man so will, aus dem Schatten des "schwarzen Kreiskys", Wolfgang Schüssel, zu treten.

Nicht ohne Risiko. Als Klubobmann von Schwarz-Blau-Orange war er eine der Schlüsselfiguren seiner Partei. Aber das sagt nichts. Bis heute gibt es nichts, was ihn persönlich belasten würde. So gesehen kann Molterer ruhig aufklären lassen. Die SPÖ sollte sich nicht zu früh freuen. (Thomas Mayer/DER STANDARD, Printausgabe, 25.2.2008)