Erste Preisträgerin des Literaturwettbewerbs auf Schloss Wartholz: die gebürtige Oberösterreicherin Andrea Winkler.

Foto: Doris Winkler

Reichenau/Rax – Mit Wettlesen, öffentlichen zumal, ist es so eine Sache. Die Grenze zwischen Event und ernsthafter Auseinandersetzung mit Texten, zwischen "Autorenschauen" und Bücherliebe, zwischen Marketing und Literaturvermittlung ist fließend. Der oft schon totgesagte, frisch beerdigte und doch immer wieder neu geborene Klagenfurter Bachmannpreis mag da nicht das einzige, sicher aber das bekannteste Beispiel sein. Und während die Branche beginnt, sich für ihre sommerliche Literaturwallfahrt zu der Klagenfurter Veranstaltung, der "Mutter aller literarischen Schlachten", wie sie einer einmal genannt hat, zu rüsten, fand in Reichenau an der Rax während der vergangenen vier Tage nicht in aller Stille, aber unaufgeregt zum ersten Mal der Literaturwettbewerb Schloss Wartholz statt.

18 Autorinnen und Autoren aus Österreich, der Schweiz, Deutschland und Südtirol trugen ihre Texte vor. Darunter schon bekannte Autoren wie Michael Stavaric, Angelika Reitzer und Andrea Winkler. Zu entdecken gab es aber mit Bernhard Seiter, Martin Menzinger und Daniel Oliver Bachmann auch neue Namen, von denen man noch hören wird. Ähnlich wie beim Bachmannpreis lasen die Autoren 20 Minuten, dann wurde von der mit den Literaturwissenschaftern Wendelin Schmidt-Dengler und Bernhard Fetz, der Journalistin Katja Gasser und Autorin Bettina Balàka prominent besetzten Jury diskutiert und gewertet.

Im Gegensatz zu Klagenfurt aber verschrieb sich die Jury einer behutsameren Zugangsweise an die Beiträge, welche Stärken hervorhob und Schwächen zum Teil nobel verschwieg. Die Qualität der Texte, 400 waren eingesandt und von einer Vorjury auf 18 reduziert worden – auch das ein Unterschied zum Bachmannpreis, wo die Juroren "ihre" Autoren mitbringen –, war meist hoch, das Spektrum der literarischen Zugänge breit. Auch Lyrik wurde gelesen. Erfreulich zudem, dass sich das zahlreiche Publikum in der Wohnzimmeratmosphäre des neuen, mit Kamin, Bücherregalen und bequemen Sesseln ausgestatteten Veranstaltungssaals an den Diskussionen beteiligte – und nicht immer der gleichen Meinung wie die Jury war.

Im Höllental

"Wenn du nicht zaubern kannst, dann bist du verloren", hat Ludwig Hohl einmal gesagt. Er hat das fürs Leben gemeint und für die Literatur, die etwas mit Beschwörung, Erinnerung und Hoffnung zu tun hat. Zaubern ist nicht nur für diesen vom Ambiente mit Schloss, Rax und Höllental her beeindruckenden neuen Literaturwettbewerb ein gutes Stichwort. Es spielt auch bei Andrea Winklers mit 10.000 Euro prämierten Siegertext Drei, vier Töne, nicht mehr eine Rolle, der präzise und suggestiv von Sprachlosigkeit handelt, dem Verstummen, von Sand, Muscheln, einem kettenzerreißenden Gaukler und vielleicht auch davon, dass es nur Liebende schaffen, sich auch ohne Worte misszuverstehen.

Der zweite, mit 7000 Euro dotierte Preis, ging an den in Berlin lebenden Ulrich Schlotmann, dessen souveräner Text Saison die Freuden und Leiden der Jagd schildert und sich satirisch, teilweise sarkastisch mit einem auch politischen Milieu befasst. Ein zweimonatiges Arbeitsstipendium in Reichenau ging an Claudia Gabler mit ihrem Prosagedicht Wie Flüssigseife.

"Ohne Geld keine Literatur", meinte der Reichenauer Bürgermeister Hans Ledolter bei der Preisverleihung. Er hat recht, finanziert wird das Ganze (außer dem Stipendium, das von der Raiffeisenbank gesponsert wird) privat. Von Michaela und Christian Blazek, die vor zwei Jahren das Schloss Wartholz kauften. Ihr Geld verdienen die beiden mit Gartenbau. Von Anfang an wurde aber auch die Literatur in der Schlossgärtnerei etabliert, mit einer monatlichen Lesung im von Norbert Mang betreuten "Literatursalon", in dem schon Turrini, Fian und Ransmayr zu Gast waren. Es gab eine Zeit, da schrieben und erholten sich in der Region Schnitzler, Altenberg, Doderer und Musil. Das ist länger her, vielleicht kommt bald wieder einmal die Zeit, in der, wer Reichenau sagt, auch wieder Literatur sagen muss. (Stefan Gmünder/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25. 2. 2008)