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"Einer meiner Hauptkritikpunkte an der österreichischen Klimapolitik ist: Es wird viel investiert in diesem Bereich, es wird viel Richtiges gemacht, aber auch das Falsche weiter", so der Klimaschutzbeauftrage der Regierung, Andreas Wabl.

Foto: AP/Strauss
Der ehemalige grüne Spitzenpolitiker Andreas Wabl ist seit August 2007 Klimaschutzbeauftragter von Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ). Er hatte sich bei der Präsidiumssitzung des Klimafonds Ende Jänner mit Umweltminister Josef Pröll (ÖVP) einen Schlagabtausch geliefert und dort u. a. den Beschluss eines Förderprogramms für 10.000 Haushalte mit privaten Solaranlagen "blockiert".

Der Fonds hat am vergangenen Freitag dann doch drei Programme beschlossen: Für Energieforschung und -entwicklung gibt es ein Ausschreibungsvolumen von rund 20 Millionen Euro. Die Umstellung von Öl- und Gasöfen auf Pellets-, Hackgut- oder Stückholz wird mit rund neun Millionen Euro gefördert. Weiters soll ein Klimafolgenforschungsprogramm heuer mit rund vier Millionen Euro Budget starten.

Wabl sprach nach der Freitags-Sitzung von einem "sehr konstruktiven Dialog": Es sei gelungen, den vergangenen Konflikt auf eine sachliche Ebene zu bringen und eine "erste große Ausschreibung auf den Weg zu schicken". Das 10.000-Dächer-Solarstrom-Programm werde noch einmal überprüft. Mit Regina Bruckner sprach er noch vor Fassung dieser Beschlüsse über die Schwierigkeit, in Sachen Klimaschutz zu einer einheitlichen Linie zu kommen, über das EU-Klimapaket und den bevorstehenden Klimagipfel Mitte April in Wien.

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derStandard.at: Der nächste heimische Klimagipfel ist fix: Er wird am 17. April stattfinden. Was soll passieren?

Andreas Wabl: Meiner Ansicht nach muss der Klimaschutzgipfel 2008 so etwas wie eine offene und klare Bilanz sein, die die tatsächlichen Zustände und Möglichkeiten und echte Perspektiven zeigt. Hier gibt es keinen Platz für Schönfärberei.

derStandard.at: Sondern?

Wabl: Ich sehe Verbesserungsmöglichkeiten zum vergangenen Jahr. Wenn einem Land wie Österreich ein Systemwechsel nicht gelingt, mit den wissenschaftlichen und technischen Möglichkeiten und dem Know-how, mit den Hochschulen, wissenschaftlichen Instituten und technisch hervorragenden Entwicklungen, dann wäre das ein dramatisch negatives Beispiel. Einer meiner Hauptkritikpunkte an der österreichischen Klimapolitik ist ja: Es wird viel investiert in diesem Bereich, es wird viel Richtiges gemacht, aber auch das Falsche weiter.

derStandard.at: Uneinigkeit ist ja mit dem Thema Klima recht eng verbunden. Zum Beispiel beim Klimafonds. Das Präsidium, das mit Vertretern aus Bundeskanzleramt sowie Umwelt-, Verkehrs- und Wirtschaftsministerium bestückt ist, konnte sich bisher bei den Projekten aufgrund der nötigen Einstimmigkeit nicht einigen (Anm.: Mittlerweile wurden Beschlüsse gefasst, siehe oben). Wann gibt es Fortschritte?

Wabl: Naja, da gab es zuerst das widersprüchliche Gesetz, dann kam dazu, dass die Regierung einander nicht grün war. Einige haben geglaubt, die 500 Millionen sind ausgelagertes Budget, das die Geschäftsführung auf Anweisung eines Ministers ausschüttet. Im ersten Jahr hat Minister Pröll das gemacht, was er immer gemacht hat (Anm.: Umweltminister Josef Pröll hatte die interimistische Führung bis zur Bestellung der ordentlichen Geschäftsführung). Um so einen Fonds nützlich zu gestalten, braucht es klare Strukturen. Wir sind jetzt dabei, das auf eine solide Basis zu stellen.

derStandard.at: Sie sind vehement gegen das von Umweltminister Pröll favorisierte Projekt "10.000 Solardächer" oder zumindest gegen die Förderung derselben durch den Klimafonds. Wer hat das letzte Wort?

Wabl: Das letzte Wort hat das Präsidium. Solarenergie wird ja bereits über das Ökostromgesetz gefördert, das ist ein hervorragendes Instrumentarium dafür. Hätten wir das nicht, würde ich sofort ja sagen.

derStandard.at: Haben Sie Minister Pröll überzeugt?

Wabl: Noch nicht ganz. Aber das ist keine elegante Lösung, den Konflikt mit Minister Martin Bartenstein zu scheuen und den Klimafonds zu plündern.

derStandard.at: Bis 2010 ist der Klimafonds mit 500 Millionen Euro dotiert. Wofür soll das Geld verwendet werden?

Wabl: Wir haben verschiedene Schienen. Fotovoltaik am Dach ist eine technisch funktionierende Sache. Innovativ sind mit Fotovoltaik kombinierte Anwendungen, Fotovoltaik integriert in Dächer und Gebäudeelemente, Fotovoltaik kombiniert mit Wärmepumpen u.Ä. Da geht es um Forschung und Entwicklung. Ein wesentlicher Bereich ist der Verkehr. Was da in den öffentlichen Verkehr fließt, sind zum Teil sehr gute Projekte, deren innovativen Gehalt müssen wir aber noch ausbauen. Wir haben bis jetzt zum Beispiel Systemumstellungen im Verkehrsbereich in Stadtteilen mitfinanziert.

derStandard.at: Wie müsste so ein Konzept ausschauen, damit es in Ihren Augen als innovativ durchgeht?

Wabl: Wenn zum Beispiel ein Haftpflichtversicherer einen Antrag stellt, er möchte Versicherten ein Jahresticket für öffentliche Verkehrsmittel zur Verfügung stellen. Immerhin zeitigt der Nahverkehr die meisten Verkehrsunfälle, die würden damit auch reduziert. Das funktioniert natürlich nur im urbanen Bereich. Im ländlichen Bereich kann man auch Sammeltaxis auf Abruf fördern.

derStandard.at: Gibt es diese Ideen?

Wabl: Ein Antrag in dieser Form wurde noch nicht gestellt, aber es geht in diese Richtung.

derStandard.at: Experten sind sich einig, dass die Klima-Ziele nur mit Drosselung des Energieverbrauchs und verbessertem Energieeinsatz erreicht werden können. Derzeit nimmt der Energieverbrauch ständig zu, trotz gestiegener Ölpreise. Gibt es Vorschläge zum Thema Energiesparen?

Wabl: Da möchte ich, dass der Klimagipfel einen Beitrag leistet. Es wird in vielen Bereichen ein Systemwechsel nötig sein. Das wollen die wenigsten Politiker, weil das geht tief in den Alltag hinein. Ein bisserl mehr Biosprit und Ethanol da und dort wird nicht reichen.

derStandard.at: Spätestens hier kommt auch das österreichische Heiligtum, die Wohnbauförderung, ins Spiel. Sie kostet pro Jahr 2,2 Milliarden Euro. Wäre es nicht dem Klimaschutz zuliebe klug, sie auf Wärmedämmung abzustellen, statt auf Neubau?

Wabl: Ich weiß nicht, warum sich Finanzminister Molterer sich da so heraushält. Verhandelt wird das vom Umweltminister. Vorarlberg ist da schon sehr gut, aber ein österreichweit akkordiertes, kluges Instrument gibt es noch nicht. Man darf niemand mehr bauen lassen, wenn das nicht energieeffizient ist.

derStandard.at: Nützt da der Energieausweis? Und sind die Konsumenten bereit?

Wabl: Die Leute merken, wie teuer etwas ist. Der Energieausweis sorgt für mehr Transparenz, insofern schon. Aber es gibt ja bis jetzt noch keine Durchführungsbestimmung.

derStandard.at: Manche Experten meinen, dass eine Erhöhung der Mineralölsteuer auf das Niveau der Nachbarstaaten hoch an der Zeit wäre.

Wabl: Möst-Erhöhung ist nicht die Frage. Wir brauchen einen radikalen Umbau des Steuersystems, weil alle nicht durchdachten Maßnahmen die Kleinverdiener betreffen. Arbeit entlasten und Energie verteuern, darum geht es.

derStandard.at: Ein schöner Traum, der schon lange im Raum steht.

Wabl: Die alte Forderung muss mit neuem Leben erfüllt werden. Alle Systeme kippen einmal.

derStandard.at: Hat das EU-Klimapaket das Zeug dazu, den Systemwechsel anzustoßen?

Wabl: Erstmals haben sich alle Staaten zusammengesetzt, um die Gefahr der Klimaerwärmung zu bannen. Das war noch nicht da. Nun wird es davon abhängen, dass die reichen Länder nicht ärmeren Ländern sagen: Ihr müsst, aber wir können nicht. Es ist erforderlich, dass die reichen Länder Systeme entwickeln, die für die anderen zum Vorbild werden. Die Grundlage wird dafür erarbeitet.

derStandard.at: Minister Pröll hat im Vorjahr von Fernreisen abgeraten. Wie halten Sie es damit?

Wabl: Meine letzte Fernreise führte mit dem Flugzeug nach San Francisco. Das hat mir nicht gut getan. Nächstes Mal reise ich eher mit dem Schiff. Das ist auch billiger.

derStandard.at: Das glaube ich nicht.

Wabl: Ja, doch. Zumindest hinsichtlich der Energiebilanz. (Regina Bruckner)