Hofft auf Entgegenkommen: Tschetschene Walid Kubaev.

Foto: DER STANDARD/Regine Hendrich

Szenen aus dem Folterkeller: Diese Zeichnungen brachte eine junge Frau in Traiskirchen nach Kubaevs Schilderungen zu Papier.

Walid Kubaev, Asylwerber aus Tschetschenien, will vom Staat Österreich "keine Sonderbehandlung". Doch er hofft auf sein Entgegenkommen. Der 31-Jährige ist nach 25 Tagen in einem Folterkeller von Grosny schwer traumatisiert und chronisch krank. In Wien hat er Vertrauen zur Psychotherapeutin Sonja Brauner gefasst, von der er seit einem halben Jahr behandelt wird. Doch vor zwei Monaten haben die Behörden entschieden, dass er aus Wien in die Steiermark übersiedeln und auch dort therapiert werden muss.

"Warum ich bei Frau Brauner in Therapie bleiben möchte? Weil mich allein ihr Anblick beruhigt", sagt Kubaev. Alles, was beruhigend und vertraut wirkt, kann er brauchen. Die Misshandlungen haben ihn schwer unter Schock gesetzt. Sobald er versucht, zu schildern, was ihm geschehen ist, driftet sein Blick ab, und er sitzt teilnahmslos da.

Im März 2006 wurde der damals erfolgreiche tschetschenische Bauunternehmer auf dem Weg zur Arbeit in Grosny von Maskierten aufgehalten. Mit verbundenen Augen wurde er in einen Keller gebracht, "wo es nach Blut und Verwesung stank". Die Entführer – Russen und Tschetschenen – traktierten ihn mit Spritzen unbekannten Inhalts. Sie befestigten Stromdrähte in seinem Ohr, jagten Stromstöße durch seinen Körper. Sie fesselten und knebelten ihn, setzten ihm eine Gasmaske verkehrt herum auf. Die Maske platzte, als er unter einer Volt-Attacke akute Atemnot bekam (siehe Zeichnungen).

Was die Folterer von ihm wollten? "Ich sollte Überfälle und Anschläge gestehen, die ich nicht begangen habe." Als er nach Geldzahlungen seiner Eltern und Interventionen von Menschenrechtsgruppen freikam, habe er "mit dem Leben eigentlich schon abgeschlossen" gehabt. "Zuletzt habe ich nur schallend gelacht, was immer sie mit mir getan haben."

"Dissoziierende Reaktion" nennt dies die Therapeutin Brauner. Für die Behandlung Kubaevs, die vom Verein für Folter- und Kriegsüberlebende, Hemayat, bezahlt wird, stellt sie dennoch eine "gute Prognose". Ihr Klient habe eine "positive Beziehung" zu ihr aufgebaut und gehe an die schwierige Aufarbeitung seiner Erlebnisse "mit viel Würde heran".

Kein Einlenken in Graz

Umso unverständlicher ist für Brauner die Entscheidung des steirischen Flüchtlingsreferats: Kubaevs dringendes Ersuchen, weiter zur Therapie nach Wien fahren zu dürfen, wurde abgelehnt. Dabei hatte der Tschetschene die Fahrtkosten bisher ohnehin aus eigener Tasche bezahlt. Verlasse Kubaev das ihm zugewiesene Quartier für länger als zwei Tage, gelte er als aus der Betreuung – und somit auch von der Sozialversicherung – abgemeldet, hieß es. "Da er chronisch krank ist, ist das für ihn eine Katastrophe", sagt Brauner. (Irene Brickner/Der Standard, Printausgabe, 22. Februar 2008)