Pop-Diva Madita

Foto: Casentini

Wien – Vorgefestigte Meinungen neigen mitunter dazu, sich nach Neubewertung der Rahmenbedingungen und der eigenen Befindlichkeit entkräften zu lassen. Hat sich beispielsweise der persönliche Privatgeschmack in einer Nische zwischen Free Jazz, Freak Folk und experimenteller Elektronik eingerichtet, so könnte einem der schon seit gut fünfzehn Jahren bemühte "Sound of Vienna" durchaus Kopfschmerzen bereiten. Behagliche Downbeats und faul auf dem Kaffeehaustisch liegender Hedonismus füttern seit jeher die Klischees der "Gemütlichkeit".

Wenn nun aber Vlado dZihan, der während der letzten Jahre im Duo dZihan & Kamien maßgeblich an der Verbreitung ebenjenes Wohlfühlsounds beteiligt war, der herausragenden Wiener Sängerin Madita eine formidable Klangtapete zurechtorchestriert, so darf man das gerne eingestehen. Müßig, noch zu erwähnen, dass öffentliches Gutfinden von sauber gedrechselter Popmusik, die es gar in die Charts schaffen könnte, im vorliegenden Fall – bitte! – auch sollte, nicht unweigerlich zum Abfallen der Credibility-Werte führt.

Mit Too, ihrem jetzt erschienenen zweiten Album, gelingt der 30-jährigen Madita, die unter ihrem bürgerlichen Namen Edita Malovcic auch als Schauspielerin (u. a. in Barbara Alberts Nordrand) tätig ist, ein bemerkenswertes Stück Musik aus dem Segment "Fein gebügelter Erwachsenenpop". Ihre Stimme rückt sie in die Nähe von großen Damen zeitgenössischer Sangeskunst wie Roisin Murphy, Feist oder Björk. Wobei Madita stets eine Diva mit gutem Benehmen und eigener Note bleibt. Nuancenreich deutet sie hinter der schillernden Oberfläche eventuell vorhandene Abgründe an.

Währenddessen erbaut dZihan in seinen Arrangements ein mit Edelholz getäfeltes Kaminzimmer: Satte Streicher, Pianoballaden, schmatzende Bläsersätze und abgebremste Disconummern fügen sich zu einem beseelten, abwechslungsreich funkelnden Pop-Album, das der Jazzgott gesegnet hat. Die auf dem Debüt "Madita" noch verstärkt pulsierenden elektronischen Elemente wurden reduziert, heute setzt man auf in Fleisch und Blut eingespielte Beschwingtheit, ein Besen tänzelt über die Schlagzeugfelle.

Dass die eine oder andere Unebenheit dem bisweilen ein wenig über die Maßen geschmackvoll ausbalancierten Album dann doch nicht schlecht zu Gesicht gestanden wäre, bleibt Minimalmanko. Derjenige, der noch niemals den Reiz von Milchkaffeeschaum mit Zimt und Schokostreuseln sanft in sich hochkochen fühlte, möge einen Stein werfen. Aber bitte sachte! (Philipp L’Heritier / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22.2.2008)