Hier wohnt Erwin Pröll mit Gattin Sissi.

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Erwin Pröll als kleiner Bub mit seinem älteren Buder Sepp, dem Vater des Landwirtschaftsministers.

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Der Landeshauptmann geht in die Knie. Dieses Bild hängt im Büro von Bürgermeister Johann Gartner.

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Der Pfarrhof in Radlbrunn.

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Weinbauer Andreas Pröll ist der Bruder des Landwirtschaftsministers.

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In der Ortschaft erinnert vieles an den Landeshauptmann. Nicht nur die vielen Schaukästen mit Bildern von Pröll, sondern auch dieses Schild am Kirchplatz.

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Wahlkampf vor Ort.

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Das Rathaus in Ziersdorf.

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Radlbrunn im Bezirk Hollabrunn im nördlichen Weinviertel wirkt um die Mittagszeit ausgestorben und verlassen. Die Fassaden der Häuser sind schlicht, die Vorhänge zugezogen, manche Fenster trotz Kälte mit Blumen geschmückt. Alle paar Meter steht ein Plakatständer: Onodi, Rosenkranz, Petrovic und Pröll lachen einem – mehr oder weniger gekonnt – entgegen. Man merkt: der Termin der Niederösterreichischen Landtagswahlen ist schon sehr nahe. Das gelbe Haus links nach der Kreuzung am Ende der Straße sieht aus wie jedes andere auch. Die Fassade ist relativ neu verputzt, das Tor grün-weiß gestrichen. Hier wohnt er also: Erwin Pröll, der der ÖVP am 9. März bei den Landtagswahlen neuerlich zum Wahlsieg verhelfen will. Prölls Gattin, eine kleine, gemütliche Frau mit blonden Haaren, macht das Tor auf. Zuvor hatten wir sie schon auf der Straße getroffen. "Wollen Sie reinschauen?", fragt sie ein wenig gestresst. Für ein Uhr werden Gäste erwartet und Rindfleisch soll es geben.

Stolz zeigt sie trotzdem einen Teil des Hauses, in dem Erwin Pröll und sie zwar nicht viel gemeinsame Zeit, "diese dafür intensiv" verbringen. Im Wohnzimmer steht eine cremefarbene Sitzgarnitur mit romantischen Blumenmuster. Hier kann sich also der Landeshauptmann ausruhen. "Am Esstisch hat die ganze Familie Platz", betont Sissi Pröll. Ein Jesuskreuz hängt an der Wand, von der oberen Etage ist eine beachtliche Büchersammlung zu erkennen. Die Hochzeitskerze, die das Ehepaar Pröll zur Silberhochzeit von seinen Kindern geschenkt bekommen hat, zeigt den Familienstammbaum. Einer ihrer jüngeren Söhne wird demnächst heiraten, berichtet Sissi Pröll offensichtlich erfreut.

"Ernsthafter junger Mensch"

Dass ihr Mann Erwin einmal Politiker wird, habe sie sich nicht gedacht, erzählt Frau Pröll aus den jungen Jahren des Landeskaisers, wie der langdienende Landeshauptmann von Kritikern gerne bezeichnet wird. "Er war ein ernsthafter junger Mensch, der, wenn es gepasst hat, aber auch gerne lustig war." Sissi Pröll hat ihn vor über 30 Jahren in Wien kennengelernt, als Erwin Pröll studierte und gerne beim Türkenwirten – heute bekannt als Tüwi – gleich neben der Universität für Bodenkultur im 19. Bezirk einkehrte.

Heute achtet Sissi Pröll darauf, dass "der Erwin" sich zuhause entspannen kann. Sie redet mit ihrem Mann wenig über Politik. Aber genau das schätze er an seiner Freizeit: "Manchmal hat er das Bedürfnis allein zu sein. Hier in Radlbrunn hat er Freiraum zum Glücklichsein. Mit den Menschen im Ort ist er per du. Hier kann er der Erwin sein, und nicht der Herr Landeshauptmann."

Frau Pröll hat auf die eigene Karriere verzichtet und war 20 Jahre bei den Kindern – drei Buben und ein Mädchen – zuhause. Heute sind diese erwachsen und Sissi Pröll arbeitet als Kinderkrankenschwester in Klosterneuburg. Vergnügt tobt Tobi, der Hund des Landeshauptmannes, durch das Haus. Er rennt im Garten auf und ab und umschwänzelt die Gäste. Und Sissi Pröll muss jetzt weiterkochen. Ob man sie fotographieren darf? "Nein, bitte nicht!"

Gassigehen in den Hohlwegen

Tobi ist auch dem Bürgermeister der Marktgemeinde Ziersdorf, zu der auch die kleine Ortschaft Radlbrunn gehört, ein Begriff. Johann Gartner, wie Pröll auch von der ÖVP, trifft den Landeshauptmann, sozusagen seinen Vorgesetzten, regelmäßig – beruflich, beim Gassigehen mit seinem Hund in den Hohlwegen oder beim Radlfahren: "Im Sommer fährt er mit seinem blau-gelben Dress und Helm durch die Gegend." Der wohlgenährte Bürgermeister lehnt sich in seinem Bürosessel zurück und sagt über den Landeshauptmann: "Er macht seinen Job mit großer Freude und nimmt viel Rücksicht auf andere. Wenn er ein Ziel hat, gibt er 100 Prozent und das erwartet er auch von seinen Wegbegleitern." Aus den jungen Jahren Prölls weiß der Bürgermeister noch, dass er Fußball gespielt hat. Er sei Stürmer beim Verein in der benachbarten Ortschaft gewesen. Und stolz macht er auf ein Foto aufmerksam, das den Landeshauptmann vor dem Bürgermeister kniend zeigt: "Damals habe ich ihn mehrfach um einen Termin gebeten. Er hat mich immer wieder vertröstet. Als er dann endlich Zeit hatte, hat er sich mit einem Kniefall entschuldigt." Jaja, der Herr Landeshauptmann besitze viel Humor, versichert der Bürgermeister.

Schaden tut es der Gemeinde jedenfalls nicht, einen Landeshauptmann, und mit Erwin Prölls Neffen Josef auch noch einen Bundesminister, in der eigenen Gemeinde zu haben: So sind wohl auch Förderungen um vieles leichter zugänglich. Bemerkbar macht sich das am kürzlich renovierten Jugendstil-Konzerthaus und am Kulturgut Brandlhof, einem alten Bauernhof aus dem 13. Jahrhundert.

Vom Vorteil der Förderungen weiß auch Pfarrer Edmund Tanzer, der seit 22 Jahren in Radlbrunn lebt und arbeitet, zu berichten. Zwar wirkt der Pfarrhof nach wie vor ein wenig heruntergekommen, Geld habe das Land Niederösterreich für die Renovierung der Kirche aber auch schon dank Pröll beigesteuert. Auch sonst kann der Pfarrer nichts Negatives über den Landeshauptmann sagen. In die Kirche gehe er zwar nicht jeden Sonntag, "wenn es seine Termine zulassen kommt er aber in den Gottesdienst."

Weinbauernfamilie

Pfarrer Edmund Tanzer kennt die gesamte Großfamilie Pröll. Seit über 300 Jahren sei die Weinbauernfamilie in Radlbrunn ansässig. Das Weingut gibt es auch heute noch, es wird von Michaela und Andreas Pröll, dem Bruder von Landwirtschaftsminister Josef, geführt. Grüner Veltliner zählt zu den Spezialitäten des Weingutes und ist auch der Lieblingswein des Landeshauptmannes, wie Michaela Pröll, die im Hof ihres Weingutes mit dem Palmkatzerlschneiden beschäftigt ist, über die Vorlieben des Landeshauptmannes berichtet.

Schöne heile Welt, denkt man sich, je länger man durch die Straßen von Radlbrunn und Ziersdorf spaziert. Doch sehen das auch wirklich alle Einwohner so? Macht Erwin Pröll seinen Job als Landeshauptmann gut? "Na sicher!", lautet die klare Antwort des sonst stark nuschelnden alten Mannes der am Stiegenaufgang eines Hauses, das früher ein Gasthof gewesen sein muss, lehnt. Zwiegespalten ist eine rund 40-jährigen Dame, die gerade im Blumengeschäft eingekauft hat: "Ich finde etliches gut, aber nicht alles." Was genau, will sie, die Pröll auch "privat kennt" nicht sagen.

Und dass dann doch nicht alle nur über Landeshauptmann Pröll schwärmen, beweist die Reaktion eines jungen Mannes, der mit seinem roten Opel beim Bankomaten hält. Politik interessiere ihn nicht und auch zum Landeshauptmann will er keinen Kommentar abgeben. "Weis ma ois so wuascht is." (Katrin Burgstaller, Rosa Winkler-Hermaden, derStandard.at, 21.2.2008)