Eine große Vielfalt von Lebewesen lebt an den Hydrothermalquellen: Der Pompeji-Wurm lebt an den Schloten der Quellen (oben), der Riesenröhrenwurm Riftia (unten) siedelt sich im zehn bis 30 Grad warmen Wasser an.

Foto: Uni Wien, Meeresbiologie; Imagequest
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Meeresbiologen der Uni Wien haben Hydrothermalquellen des Pazifik besucht - und an diesen unwirtlichen Orten neben einigen bekannten Tieren auch Mikroorganismen entdeckt, von denen sie noch nichts wussten.

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Wenige Lebensräume sind so lebensfeindlich wie die Tiefsee: Neben Wassertemperaturen von rund zwei Grad Celsius und enormem Druck ist es vor allem die permanente Lichtlosigkeit, die sie zu einem leblosen Ort machen sollte. Es gibt keine Pflanzen hier, denn weiter als 300 Meter kann Sonnenlicht nicht ins Wasser vordringen - und ohne Pflanzen keine Nahrungsgrundlage für alle anderen Organismen.

Genauer wäre es, "fast alle" zu sagen. Manche Bakterien verfügen über Eigenschaften, die komplexeren Lebensformen verwehrt bleiben, wie etwa die Fähigkeit zur Chemosynthese, also zur Energiegewinnung aus chemischen Prozessen. Es gibt z. B. Schwefelbakterien, die in der Lage sind, ihren Energiebedarf ganz ohne Licht durch die Oxidation von Schwefel zu decken. Die dafür nötigen Sulfide finden sie an Hydrothermalquellen der Tiefsee.

Hydrothermalquellen sind Risse im Meeresboden, aus denen das eindringende Meerwasser - auf mehrere hundert Grad erhitzt - manchmal gemeinsam mit etwas Magma wieder ausgespien wird. Durch den herrschenden hohen Druck geht das Wasser nicht in einen gasförmigen Zustand über, sondern bleibt auch bei 200 bis 300° C flüssig. Die darin enthaltenen Mineralien, allen voran Gips und Metallsulfide, schlagen sich um die Quelle in Form von Schloten nieder. Außerdem kühlt das austretende heiße Wasser beim Kontakt mit dem umgebenden Meerwasser rasch ab, sodass sich in der Umgebung der Schlote unterschiedliche Temperaturzonen ausbilden.

Solche Stellen finden sich typischerweise in 2500 bis 3000 Metern Tiefe entlang der "Gebirgszüge" der Meere, der mittelozeanischen Rücken. Diese liegen ihrerseits an Stellen, an denen sich zwei Platten der ozeanischen Erdkruste voneinander wegbewegen.

An diesen Quellen gibt es eine beeindruckende Vielfalt von Lebewesen, deren aller Nahrungsgrundlage die erwähnten chemosynthetischen Bakterien sind. Direkt am Fuß der Schlote, wo das Wasser noch 80° C hat, siedelt etwa der bis zu 20 Zentimeter lange Pompeji-Wurm, während der Riesenröhrenwurm Riftia seine bis zu zwei Meter hohen Röhren im 10 bis 30 Grad warmen Wasser baut. Noch weiter außen, bei 4 bis 10 Grad, finden sich riesige Ansammlungen von Muscheln, die so munter neben- und übereinander leben können, dass sie imstande sind, ganze Gräben auszufüllen.

Mini-Organismen

Monika Bright von der Abteilung für Meeresbiologie der Universität Wien und ihre Mitarbeiterinnen befassen sich seit Jahren mit diesen speziellen Lebensräumen. Dabei geht es nach den großen Tieren nun um das sogenannte Meiobenthos, also um Organismen, die zwischen 0,063 und einen Millimeter groß sind. Bei aller Forschung, die in den letzten Jahren an unterseeischen Hydrothermalquellen betrieben wurde, ist nämlich über deren Zusammensetzung, Verteilung und vor allem ökologische Rolle bisher so gut wie nichts bekannt. Der Wissenschaftsfonds FWF gab Bright das nötige Geld, um - zum ersten Mal in der österreichischen Geschichte - das amerikanische Forschungsschiff "Atlantis" und das U-Boot "Alvin" zu mieten.

Bright und ihre Mitarbeiterinnen untersuchten damit verschiedene Meiobenthos-Lebensgemeinschaften an Hydrothermalquellen des East Pacific Rise, eines Rückens, der unter dem Pazifik von der Antarktis bis nach Kalifornien verläuft. Unter anderem verglichen sie zwei Gesellschaften, die an unterschiedlichen Schloten zwischen den Röhren von Riftia leben.

Die 33 meiobenthischen Arten, die sie fanden, repräsentierten immerhin ein Drittel der dortigen Artenvielfalt, wobei 15 Spezies für die Wissenschaft ganz neu sind. Das Gros der vertretenen Organismengruppen stellen dabei Fadenwürmer, Ruderfußkrebse, Muschelkrebse und Foraminiferen (Einzeller). 19 der gefundenen Arten waren an beiden Quellen vorhanden, obwohl sich diese in ihren chemischen Eigenschaften stark unterschieden.

Was ihre Einordnung in das Nahrungsnetz angeht, sind fast alle Meiobenthos-Bewohner, die Bright bisher an verschiedenen Tiefseestandorten gefunden hat, Bakterienfresser; ganz wenige Arten sind Parasiten. Räuber scheint die Welt des Meiobenthos keine zu kennen. (Susanne Strnadl/DER STANDARD, Printausgabe, 20.2.2008)