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Die Speicherstadt in Hamburg entstand zwischen 1883 und 1914.

Sie schlürfen und spucken, legen die Stirn in Falten, rümpfen die Nase und schnuppern. "Kaffee ist nach Erdöl das zweitwichtigste Welthandelsgut", erzählt Bärbel Dahms den Teilnehmern der Kaffeeverkostung im Hamburger Speicherstadtmuseum, die nun exquisite Kaffeesorten aus Kolumbien, von der Elfenbeinküste, aus Äthiopien, Nicaragua und Kenia über ihre Zunge gleiten lassen. Kaffee gehört zu dieser Stadt wie Elbe, Fischmarkt und Reeperbahn. Bis zum zweiten Weltkrieg war die Hamburger Kaffeebörse die Nummer drei nach New York und London. Das erste Kaffeehaus gab es sogar bereits 1677, rund sieben Jahre früher als in Wien.

Die Butzenscheiben des Museums im dritten Stock des mehr als hundert Jahre alten Speicherhauses sind dick mit Staub belegt. "Das müssen sie auch sein", erklärt Bärbel Dahms: "Ein alter Quartiersmann behauptete einmal, wenn ein Kaufmann sie putzt, sagen die Leute, er hat zu viel Zeit, lässt er sie putzen, hat er zu viel verdient."

Die Speicherstadt entstand zwischen 1883 und 1914 als weltweit größter zusammenhängender Lagerhauskomplex. An den wuchtigen roten Backsteinmauern prangen immer noch die Namen von Quartiersleuten wie "Adolf Tiede und Söhne" oder "Eichholtz und Consorten" in großen goldenen Lettern. Quartiersleute gibt es seit 1693, sie sind immer noch für die Lagerung, Behandlung und Kontrolle von Gütern im Speicher zuständig, nur seit 1975 nennt man sie etwas beamtisch Seegüterkontrolleure.

Da Deutschland das einzige Land ist, in dem es eine Kaffeesteuer gibt, war Kaffee stets beliebte Schmuggelware. Was sonst noch alles im Freihafen dunkle Wege nahm und nimmt, davon erzählt Bärbel Dahms, die Inhaberin von "Kultours" auf ihrer knapp dreistündigen Hafentour.

Achtung Schlagbaum!

Zunächst schaukelt die Barkasse MS Hansa II durch die engen Kanäle der Speicherstadt. Dicke Baumstämme im Wasser dienten früher als Absperrungen, damit im Dunkeln keine Schmugglerschiffe in das zollfreie Gebiet einfahren konnten. Seit 2003 gehört die Speicherstadt nicht mehr zum Freihafen. Büros, Wohnungen und Museen haben hinter den alten Fassaden Einzug gehalten.

Langsam nimmt die Barkasse Kurs auf den Containerfreihafen. Hier lagern die unverzollten Waren. In der Speicherstadt haben noch viele Kaffeefirmen ihren Sitz und bieten Verkostungen an. Gelagert aber werden die Bohnen im Freihafen. Und bevor der Kaffee probiert werden darf, muss er hier verzollt werden.

"Wie kommen die Zöllner Schmugglern eigentlich auf die Schliche", will einer der Passagiere wissen. "Früher durch den Stechpalmenblick", erklärt Dahms: "Das bedeutet, Personen wurden genau taxiert, besonders dann, wenn sie zu dick erschienen." Manchmal sind es auch auffällig deklarierte Frachten, die Aufmerksamkeit erregen: Holzpaletten für Finnland etwa, für ein Land, in dem es ausreichend Holz gibt, bringen Zöllner ins Grübeln.

Gemächlich geht es am Museumssegelschiff Rickmer Rickmers und dem rot-weißen Museumsfrachtschiff Cap San Diego vorbei. Vor der Ausmusterung war es als Stückgutfrachter für Kaffee, Äpfel und Gefrierfleisch zwischen Hamburg und Südamerika unterwegs. Schließlich macht die MS Hansa II vor dem Deutschen Zollmuseum fest.

Erbsenzähler-Museum

Seit 1992 ist das ehemalige Zollamt Kornhausbrücke ein Museum. Früher wurden hier vorwiegend Orientteppiche verzollt. Zwei davon hängen mit eingeknüpften Cannabisharzschnüren an der Wand. Aber vor allem die ausgestellten Lebensmittel, Zier- und Gebrauchsgegenstände waren beliebte Verstecke für Rauschgift, Schmuck, Waffen oder Munition. Eine goldene Uhr lugt aus einer Tube Kondensmilch. Aus einem Brotlaib und einem Fußball ragen Zigaretten. Als Erbsengemüse deklarierte Konserven enthalten nur zum Teil die grünen Kügelchen, die Dosen sind leichter und mit Alkohol befüllt.

Und dann schon wieder Kaffeepause: Dazu bleibt man am besten ebenfalls am Hafen, noch dazu wenn man gleich beim Rösten zuschauen möchte. Im Mai 2006 wurde hier die Speicherstadt-Kaffeerösterei mit angeschlossenem Café eröffnet. Auch dieser Betrieb bietet inzwischen Kaffeeseminare an. Prall gefüllte Kaffeesäcke lagern zwischen Bistrotischen und Röstmaschine. Bei 220 Grad Celsius verströmen 50 Kilo Kaffeebohnen aus Panama gerade ihre Aromen. Nach 19 Minuten prasseln sie mit ohrenbetäubendem Lärm ins Kühlsieb.

Rund 20 Sorten aus unterschiedlichen Ländern werden geröstet, außerdem kann hier immer zwischen der milderen, aromareichen Arabica-Qualität und dem preiswerteren Arabica-Robusta-Gemisch gewählt werden. Wer dann einfach nur einen Kaffee bestellt, wird die gleichen verständnislosen Blicke ernten wie in einem Wiener Kaffeehaus. Nur der eigene Blick, der wird hier über den alten Speicherboden hinaus aufs Fleet gehen, wo die Barkassen vorbeiziehen. (Dagmar Krappe/DER STANDARD/Printausgabe/16./17.2.2008)