Zur Person

Thomas Hölzchen (51) ist Managing Partner der Personalberatungsgesellschaft NeumannPartners und Geschäftsführer der Ordoquest GmbH. Nach seiner Ausbildung zum Diplomkaufmann schlug Hölzchen eine Laufbahn als Zeitsoldat bei der Bundesluftwaffe ein. 1987 schied er im Rang eines Hauptmanns aus. Drei Jahre war er für die Nato im Awacs-Programm tätig. Anschließend war er stellvertretender HR-Leiter im Pharma-Bereich. 1990 wechselte Hölzchen in die Personalberatung. Seit 2004 ist er Managing Partner bei NeumannPartners in Hamburg.

Foto: Standard/NP
STANDARD: Die Wirtschaftskriminalität ist ein Dauerthema. Was sind die Treiber für nicht integre Handlungen? Wie kommt es überhaupt so weit?

Hölzchen: Meist sind es Rachemotive, die dann in Kombination mit dem individuellen Wertesystem zum Schaden des Unternehmens führen, etwa bei einer Beförderung übergangen worden zu sein. Es herrscht diesbezüglich auch eine große Blauäugigkeit in den Führungsetagen. Oft wird lieber nicht gefragt, lieber nicht hingeschaut. Wer verlangt denn noch ein solides Leumundszeugnis vor einem Engagement? Wir wissen immerhin, dass mehr als ein Viertel der Täter aus dem Top-Management kommen. Es gibt ein gewisses Täterprofil. Gefährlich ist, wer verführbar, im schlimmsten Fall erpressbar ist.

STANDARD: Erpressbar in welcher Hinsicht?

Hölzchen: In Bezug auf die jeweiligen Abhängigkeiten, etwa vom Lebensstil. Die Leute verschulden sich, um Statussymbole zu finanzieren, die Unabhängigkeit signalisieren sollen. Das macht aber total abhängig. Im Grunde geht es immer darum, wie unabhängig Menschen entscheiden können. Das schauen wir uns an.

STANDARD: Wie finden Sie also in Ihrem dazu neu gegründeten Unternehmen Ordoquest die kriminellen Energien?

Hölzchen: Wir versuchen nicht, die Kriminellen herauszufinden, sondern die Anfälligkeiten. Wir schauen uns das Risikoprofil einer Position im Hinblick auf ein Persönlichkeitsprofil an. Dazu haben wir eben dieses eigene Spezialistenteam in der Ordoquest. Sind die Sicherheitsrisiken der Position klar, dann geht es zunächst zur Selbstauskunft: Hat diese Per-son Kredit? Teure Hobbys? Wie abhängig _ist sie wovon? Dann führen die Experten, auch Profiler, Interviews in den Referenznetzwerken dieser Person, sowohl beruflich als auch privat.

STANDARD: Wie tief im Privaten? Fragen Sie die Partner oder die Kollegen im Sportverein?

Hölzchen: Klar ist, wir schnüffeln nicht hinterher. Die Referenzgeber werden grundsätzlich von der jeweiligen Person genannt. In die Familien gehen wir nicht. Der Prozess, der ja nicht nur die Auswahl, sondern auch die Suche umfasst, ist hochkomplex und dauert entsprechend auch einige Wochen.

STANDARD: Und kostet?

Hölzchen: Ab 80.000 Euro für den Prozess.

STANDARD: Um welche Positionen geht es da in den Unternehmen?

Hölzchen: Im Finanzbereich ab der dritten Ebene aufwärts, allgemein ab der zweiten Ebene. Es sind immer sicherheitssensible Positionen, Einkaufsleiter, IT-Leiter, alle Positionen mit extremen Integritätsanforderungen.

STANDARD: Wissen denn die Kandidaten, in welchen Prozess sie sich mit Ordoquest begeben?

Hölzchen: Ja, natürlich. Und sie erhalten die Ergebnisse referiert.

STANDARD: Wollen sich Menschen denn einem solchen Test unterziehen? Vergraulen Sie damit nicht die Kandidaten?

Hölzchen: Natürlich werden wir Kandidaten vergraulen. Meiner Erfahrung nach begeben sich allerdings 80 Prozent der Leute in den Prozess eines Integritätschecks.

STANDARD: Gibt es schon Referenzprojekte?

Hölzchen: Ja, die haben wir in Deutschland schon.

STANDARD: Glauben Sie, dass wir in Österreich eine noch stärke Kultur des Wegschauens pflegen?

Hölzchen: Das weiß ich nicht. Wenn das so sein sollte, dann hilft aber nur eines: Klarheit. Es geht dabei ja auch um das Haftungsthema der Organe. Ich halte Integrität für ein gesellschaftspolitisches Thema. Erfolg um jeden Preis wird ohnedies zunehmend infrage gestellt.

STANDARD: Na ja – die Verträge der Spitzenmanager sind aber auf Kurzzeitigkeit ausgelegt ...

Hölzchen: Da haben Sie recht – und das birgt erhöhtes Risiko. Hire & Fire erzeugt Söldner. Auch in der Mentalität.

STANDARD: Wenn Sie nun gewisse verstärkte Anfälligkeiten gefunden haben: Was passiert dann?

Hölzchen: Das entscheidet das Unternehmen. Die Palette reicht von nicht einstellen bis zu Kontrollmechanismen, stärkere Einbindung der Revision oder Coaching. Es geht dann um die jeweils adäquate Kommunikation, das adäquate Verhalten.

STANDARD: Der Kandidat ist aber dann in der Branche "tot", oder?

Hölzchen: Das sehe ich nicht so. Die Prozesse laufen diskret. Und: klar getrennt vom klassischen Search. Der Kandidat kommt eben für diese speziell sensible Position nicht infrage. Aber: Es ist eine Gratwanderung.

STANDARD: Wie geschärft ist das Sicherheitsbewusstsein in den Firmen?

Hölzchen: Mir erscheint da die Sensibilität äußerst gering ausgeprägt. Achten Sie doch mal auf einem Flughafen darauf, was die Leute am Handy alles sagen. Betriebsgeheimnisse werden da unbewusst ausgeplaudert.

STANDARD: Wie wirksam kann Ordoquest sein?

Hölzchen: Wir gehen davon aus, dass wir das Risiko verglichen mit dem klassischen Searchprozess noch einmal signifikant senken können. (DER STANDARD, Printausgabe, 16./17.2.2008)