Parteianhänger der Kommunisten im Ganges- delta auf dem Weg zu einer Großveranstaltung: sechs Stunden im Stau nach Kalkutta, zwei Stunden Parteitreffen, sechs Stunden für die Heimfahrt.

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Schwester Nirmala sagt nichts. Schwester Nirmala küsst Amulette, einfache Blechmedaillen zum Umhängen, auf denen das Konterfei ihrer Vorgängerin, Mutter Teresa, eingeprägt ist, und gibt sie lächelnd an Besucher. Politik gehört nicht zu ihrem Geschäft. Das war schon so zu Mutter Teresas Zeiten, als in Rom Johannes Paul II. residierte, der Kommunistengegner, und in Kalkutta die Kommunistische Partei Indiens / Marxistischer Zweig (CPI-M) ganz legal die Macht übernahm. Sie hält den Rekord der am längsten demokratisch gewählten kommunistischen Regierungspartei der Welt - mehr als 30 Jahre im Bundesstaat Westbengalen - und redet nun sehr viel.

Regierungschef Buddhadeb Bhattacharjee, kurz "Buddha" genannt, redet sogar für sein politisches Überleben und das seiner Partei. "Ohne Kapitalismus ist keine Industrialisierung möglich", eröffnete "Buddha". Anfang des Jahres seinen Anhängern auf einem Parteitag. Jyoti Basu, "Buddhas" populärer Vorgänger, hatte eine noch unangenehmere Einsicht parat: "Der Sozialismus ist derzeit nicht erreichbar."

15 Jahre nach der Liberalisierungswelle in Indien, 25 Jahre nach der Öffnung in China haben auch Kalkuttas Kommunisten den Markt entdeckt. Das führt zu blutigen Konflikten mit den Bauern, die ihr Land nicht für Industriezonen hergeben. Bezahlte Schläger wurden losgeschickt. Mit Einschüchterungen und Vergewaltigungen sollten sie die Dorfbevölkerungen umstimmen.

In drei Bundesstaaten regieren die Kommunisten derzeit - Westbengalen, Kerala und Tripura - und stützen, wenn auch mit lautstarken Bedenken, die Minderheitsregierung von Premierminister Manmohan Singh in Delhi. Dem Atomabkommen mit den USA verweigern sie schon aus Prinzip ihre Stimme.

Es ist ein Bündnis mit der Kongress-Partei von Sonia Gandhi, das vor allem die Rückkehr der nationalistischen, noch unternehmerfreundlicheren Hindu-Partei BJP verhindern soll. Diese fuhr nach der unerwarteten Niederlage bei den Parlamentswahlen 2004 nacheinander Siege bei Wahlen in den Bundesstaaten ein. Besonders ein Mann, Narendra Modi, Regierungschef in Gujarat und mitverantwortlich gemacht für das dortige Pogrom gegen Muslime im Jahr 2002, lauert auf eine Gelegenheit für den Sprung zur Macht. (mab/DER STANDARD, Printausgabe, 15.2.2008)