Der Pornoproduzent Simpel (Markus Heinicke, li.) geht der Textildesignerin Monica (Horst Heiss) vor der Kamera (die Max Hoffmann führt) an die Wäsche.

Foto: Drama X

Wien - Der Lifestyle ist ein schwarzes Loch. Alles Streben nach fein säuberlicher Gestaltgebung ist Blödsinn, großer Trugschluss. In Wahrheit ist das alles nur der sinnlose Tanz um ein großes Nichts: In einer "Schöner-wohnen"-Redaktion wäre Matias Faldbakken wahrlich eine Fehlbesetzung.

Aber der norwegische Schriftsteller (35), nicht minder auch als Künstler erfolgreich (Biennale Venedig 2005), nimmt den Mund recht voll, wenn es um die Frage geht, "wie man leben soll". In seiner Trilogie der "Skandinavischen Misanthropie", deren erste zwei Teile bisher erschienen sind ("The Cocka Hola Company" und "Macht und Rebel"), legt sich ein großer Zyniker auf effektvolle Weise mit der Konsenskultur der Gegenwart an. Drama X hat den Erstling in seinem Labor der Niederlagen in Wien auf die Bühne verfrachtet.

Grundthese ist : Was weckt die Post-68er-Generation denn besser aus ihrem wohligen Gemeinschaftsschlaf der Angepasstheit als die kompromisslose Ehrlichkeit nackt und keuchend in Gang gebrachter Körper!

Man kann Faldbakkens Impetus mit jenem Michel Houellebecqs vergleichen oder mit dem des britischen Undergroundstars Stuart Home, der auf ähnlich provokant-pornografische Weise zum Generalangriff im Krieg der Ideologien pfeift. Inhalt: Protagonist Simpel unterhält ein Pornofilmimperium - man betrachte dies als künstlerische Praxis -, um mit den angehäuften Ressourcen gesellschaftsrelevante "Aktionen" zu betreiben. Da wären etwa "Unschuldige Mobben" oder "Fuck Up The Nachbarschaft", Aktionen mit zersetzenden und nicht wohlmeinenden Eigenschaften.

Mit voller pornografischer Kraft gegen die Heuchlerbrigaden des Hardcore-Konsumzeitalters: Davon wird im Besucherforum der U3-Station Volkstheater in langen drei Stunden viel geredet. Der beschränkte Zugang (ab 18 Jahren) macht sich in Videobildern am Fernsehbildschirm bemerkbar - und an einem realen Akt zweier Profis auf einem lapidar hereingeschobenen Bett. Auch Begriffe wie "Hausmeistersahne" fallen hier des öfteren.

Regisseur Ali M. Abdullah zeigt das um etliche Episoden erleichterte Romangeschehen von "The Cocka Hola Company" als überdehnte Soap, und gibt damit dem Autor die Antwort zurück: So einfach geht es nicht! Selbst der Widerstand, die wunderbar durchtheoretisierte Gegenkultur ist schon so langweilig geworden. So, dass die fünf formidablen Schauspieler (Horst Heiss, Markus Heinicke, Peter Richter, Max Hoffmann und Dennis Cubic) allzu gerne von den schönsten Lügen der Welt singen, Barry Whites "Can't Get Enough of Your Love, Babe".

Nach drei Stunden war's dann aber genug, eine Band ohne Hosen blieb und auch: alle Fragen offen. (Margarete Affenzeller / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9./10.2.2008)