Nicht nur bei Winterwanderungen, auch als Aufstiegshilfen zu größeren Freeridetouren kommen die Schneeschuhe zum Einsatz.

Foto: Österreich Werbung/ Fankhauser

Die winterbraunen Lärchen werfen in der Frühsonne lange Schatten, und ein frischer Ostwind weht Schneefahnen in die Höhe. Die Spuren, die wir bei jedem Schritt in den Tiefschnee setzen, sind übergroß, denn wir haben merkwürdige Geräte an den Füßen: mehr als 70 Zentimeter lang, vorn 20 Zentimeter breit, nach hinten schmäler werdend. Man könnte an die Stapfen des Yeti denken, wären da nicht die tellerförmigen Abdrücke der Skistöcke, mit denen wir das Gleichgewicht halten.

Schneeschuhwandern nennt sich das, was wir da auf einer Hochfläche im Talschluss des Südtiroler Gadertals, nicht sehr weit entfernt von den alpinen Weltcup-Steilhängen von Alta Badia, betreiben. Mäßig steile Anstiege wechseln auf dieser viereinhalbstündigen Rundtour mit gemächlichem Bergab zwischen Heustadeln und Almhütten, und das alles vor der gewaltigen Felskulisse der Dolomiten: Fanes im Osten, Sella im Westen und weit im Süden die Civetta und der Monte Pelmo.

Gewöhnungsbedürftige Sportart

Nicht alles freilich, was in der neuerdings boomenden Schneeschuhwander-Literatur an Touren angepriesen wird, ist für diese Fortbewegungsweise so ideal wie die Runde im Gadertal. Man könnte sagen, die Sportart ist gewöhnungsbedürftig. Eine erste Schneeschuhwanderung, im Rahmen einer Pressereise in Salzburg, ist mir in grauenhafter Erinnerung. Es ging, buchstäblich über Stock und Stein, ziemlich steil bergauf und auf dem gleichen Weg wieder zurück. Mit Tourenskiern wäre man wenigstens bergab wesentlich lustvoller vorwärtsgekommen. Ein anderes Mal liefen wir auf einem Ratrac-gebahnten Winterwanderweg ein fast ebenes Tal hinein – um wie viel genussreicher wäre man hier Nordic-Walking-mäßig unterwegs gewesen.

Mehr Freude kam dann bei einer kombinierten Tour im Bregenzerwald auf. Mit der Gondelbahn ging's auf den Diedamskopf, nach wenigen Schritten hatten wir die Piste verlassen und stapften, mählich steigend ein einsames Plateau entlang, neugierig beäugt von ein paar Gämsen, die aber bald das Interesse an uns verloren und leichtfüßig davonstoben. Als Höhepunkt folgte dann ein kurzer Steilanstieg von knapp 50 Höhenmetern, und dann ging's in langen Laufschritten, fast so locker wie vorher bei den Gämsen beobachtet, hinunter zur Althornbachalpe. Nach einer Stärkung sausten wir auf Rodeln zurück ins Tal, die Schneeschuhe und Teleskopstöcke wohlverstaut im Rucksack. Das bequeme Maß und das geringe Gewicht von zwei bis drei Kilogramm pro Paar haben übrigens die Schneeschuhe auch für Jugendliche, die das Hatschen durch die Latschen zunächst einmal nicht für wirklich cool hielten, attraktiv gemacht: als Aufstiegsgeräte für Snowboardabfahrten im freien Hochgebirgsgelände.

Trapper, Jäger, Holzfäller und Schmuggler

Ursprünglich als winterliches Fortbewegungsmittel für Trapper, Jäger, Holzfäller und auch Schmuggler hergestellt, wurden im Jahr 1906 von einem Walter F. Tubbs im US-Bundesstaat Maine Schneeschuhe aus schnurbespannten Eschenholzrahmen in händischer Serienproduktion erzeugt. In der Form ein wenig an Tennisschläger erinnernd, fanden sie unter anderem auf Polarexpeditionen Verwendung. Die Firma Tubbs Snowshoes gibt es immer noch, neben einer Reihe anderer Marken, aber die Geräte werden längst aus Aluminium oder Kunststoff hergestellt.

Wie überall in der Sportartikelerzeugung ist die Entwicklung in den vergangenen fünfzehn Jahren rasant in Richtung spezialisierter Hightech weitergegangen. Die Bindung, die das Gerät – ähnlich wie bei Langlauf- und Tourenskiern – unter dem Fußballen frei auf- und abschwingen lässt, wurde durch Steigzacken und aufklappbare Steighilfen ergänzt, Rotationsachsen für seitliche Neigung sollen das unangenehme Queren steiler Hänge erleichtern. Je nach Verwendung gibt es Schneeschuhe für alpines Gelände, für leichte Winterwanderungen und für kombinierte Wilderness-Expeditionen. Für den Einsatz in arktischen Regionen schließlich wurden Schneeschuhe entwickelt, die auch bei extrem tiefen Temperaturen nicht brechen.

Den Anfänger sollte diese Artenvielfalt nicht verwirren. Ein Modell aus Kunststoff – im Ausverkauf schon ab 70 Euro erhältlich – genügt fürs Erste und wahrscheinlich für geraume Zeit vollkommen. Über die Länge entscheidet das Gewicht, nicht die Größe des Wanderers, Frauen bevorzugen etwas kleinere, leichtere Geräte. In die bequeme Bindung passen gewöhnliche Bergschuhe, die allerdings wasserdicht sein sollten. Bei der Kleidung schließlich sollte das Zwiebelprinzip (viele dünne Schichten) walten. Alles in allem ist Schneeschuhwandern ein preiswerter und ein Lifetime-Sport. Auch Kindern kann, muss er aber nicht Freude machen. (Horst Christoph/DER STANDARD/RONDO/15.2.2008)