Platz 1: Rupert's Jazz Construction: "Lehn dich auf"

Foto: Anne Katrin Feßler

im Bild die "Jesus and the Mary Chain"-Gedächntisfrisur

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Platz 2: Bluesbrauser: "I fiacht mi vor'm Friseur"

3Foto: Anne Katrin Feßler

Platz 3: Hinterland: "Wessely"

Foto: Anne Katrin Feßler
Wien - "Einer davon ist für die Jesus and the Mary Chain-Gedächtnisfrisur des Sängers" erklärte Martin Blumenau die Aufteilung seiner zwei Jurypunkte für Rupert's Jazz Construction, den späteren Sieger des fünften Protestsongcontests. Diese zwei Pünktchen sind insofern von Belang, weil der "FM4-Altmeister" (Pressetext!) in drei von vier Bewerben mit seiner Höchstpunktezahl stets den Gewinnertrend gesetzt hatte. Diesmal sollte es anders kommen...

Abgesehen davon war bei der gestrigen Protestsong-Kür (Platz 2 für Bluesbrauser, Platz 3 für Hinterland) im gesteckt vollen Rabenhof Theater aber Protest-Business as usual. Alles lief wie am Schnürchen, nur Dirk Stermanns angekündigter Moderatoren-Kollege Christoph Grissemann fehlte unentschuldigt. Und selbst der Protest zum Protest in Form einer "enternden" Kombo namens Musik-Lazarett brachte niemanden aus dem Konzept. Wir sind die Stimme jener, die in ihrer Tätigkeit für NGOs ihren Protest sogar zum Beruf gemacht haben, erklärte der Leuchtdioden-geschmückte Sänger der Formation, die außer Konkurrenz sang.

Fast ohne Konkurrenz war auch - zumindest punktemäßig - das Siegerlied mit seinem eingängigen Titel und Refrain "Lehn dich auf", das Jury-Mitglied Birgit Denk überzeugte: "Den Refrain kann ich jetzt die nächsten drei Monate". Begeisterungstechnisch war sie da auf einer Wellenlänge mit Jurorin Doris Knecht, die verriet, dass einer der Bandmitglieder sie vergangenen Samstag im Asialaden angesungen habe. Tapfer und unparteiisch habe sie sich aber dort die Ohren zugehalten. Gemeinsam mit Peter Paul Skrepek vergaben jene drei jeweils ihre Höchstpunktezahl und traten den Gegenbeweis zu "Scheiß auf Ironie, Ironie ist das Letzte" (Blumenau) an.

Jaja, der Ton zwischen den beiden Juryhälften - der "guten" und der "bösen", wer auch immer das nun war - war heuer ein rauer. "Der Neue führt sich ganz schon auf", wies Knecht den kritischen Neuzugang, Musiker Hans Platzgumer, in die Schranken. Der musste am "Terrorplanet" sitzen, wie Blumenau sich, Platzgumer und die Musikerin Clara Luzia vom "Spießerplanet" gegenüber abgrenzte. Auch diese Drei waren sich, was ihren Protestliedfavoriten anging, sehr einig: Drei Mal neun Punkte für den "Wessely", eine Hip-Hop-Fortsetzung des gleichnamigen Georg Danzer-Liedes gegen Dummheit von Rechts, die es mit dem "Ganslhaut"-Faktor auf Platz Drei schaffte.

Die Zweitplatzierten Bluesbrauser outeten sich als Salzburger Phobiker-Gruppe mit Angst vor Mikros oder gar sich selbst ("Auto-Phobie"), die mit "I fiacht mi vor'm Friseur" alle irgendwie erreichte und die meisten wussten gar nicht wieso eigentlich. Zeilen wie "i fiarcht mi vor dem Verruckten der de Ortstafeln verruckt", der eingestandenen Panik vor der vierten Starmania-Staffel oder dem Ex-Fionanzminister-Doppel hatten wohl einfach den breitesten Identifikationswert.

Außenseiter-Themen wie Klimawandel, den die Tiroler WOxang besungen hatten, konnen sich da einfach nicht durchsetzen, auch wenn sie in der Jury die witzigsten Diskussionen über beim Furzen austretende schädliche Methangase auslösten: "Sind rülpsende Kühe nicht das eigentliche Problem?" Aber Denk und Knecht hatten gut recherchiert und so wissen wir nun, dass die Kühe eben doch die bösen sind, weil nur bei den Wiederkäuern mit den vier Mägen so böse Luft entsteht.

Und da sind wir auch beim größten Problem des Protestsongcontest angekommen, dessen größter Reiz eben die heißen Luftschichten sind, die die Wortmeldungen der Juroren erzeugen und deren Reibung untereinander und mit den in Wellen aufbrausenden Empörungen des Publikums jedes Jahr für einige Gewitter sorgt. Und Gewitter, die ganz ohne Überraschungseffekt daherkommen, machen uns einfach nicht mehr fürchten. (Anne Katrin Feßler)