Sylvia , neben einem Highlight ihrer Arcimboldo-Schau: ein bisher unbekanntes Werk des Meisters.

Foto: Fischer
Wien – Bei ihrer letzten Reise durch Oberitalien wurde die Befürchtung Gewissheit: "Die permanente Schausammlung ist tot", stellte Sylvia Ferino-Pagden fest. Die Kunsthistorikerin war selbst samstags allein in den Museen von Brescia und Bologna. Ihr Befund trifft auf das Kunsthistorische Museum nur bedingt zu. Dieses ist eine Touristenattraktion. Aber wenn man den Anteil der österreichischen Besucher heben will, der bloß 21 Prozent beträgt, dann muss man sich "permanent etwas einfallen lassen".

Ferino tut das: In den vergangenen zwei Jahrzehnten war sie für den Großteil aller KHM-Erfolgsausstellungen verantwortlich, obwohl ihr Hauptaugenmerk der Forschung gilt – und nicht der Besuchermaximierung: Andrea Mantegna und die Brauttruhen der Paola Gonzaga (2001) kam auf 355.000 Besucher und El Greco auf deren 375.000. Das Gold der Pharaonen hingegen, von KHM-Chef Wilfried Seipel kuratiert, besuchten im gleichen Jahr nur 318.000 Personen. Oder 2004: Rubens in Wien, eine Erfindung Seipels, hatte 132.000 Besucher, Ferinos Giorgione-Schau Mythos und Enigma hingegen 208.000.

Kuratoren-Schreck

Arcimboldo ist die letzte Ausstellung, die sie in der Ära Seipel kuratiert. "Ich kann ja nicht die Einzige sein, die ununterbrochen Ausstellungen zusammenstellt. Ich bin ja schon der Schreck aller Kuratoren, weil ich so viel gestaltet habe." Aber die gebürtige Mödlingerin hätte sich noch weit mehr einfallen lassen, wenn man sie gelassen hätte. Egal, ob sie sich – wie Karl Schütz, der Direktor der Gemäldegalerie – für die Nachfolge von Seipel beworben hat oder nicht: Ferino, die im Schatten des mächtigen Mannes mit dem weißen Haar stand, gilt als eine Anwärterin. Ihr Kunstgeschichtestudium, das sie in Wien begonnen hatte, schloss sie 1972 bis 1974 im renommierten Bryn Mawr College (Pennsylvania) ab, danach forschte sie in der halben Welt, darunter in Florenz und Oxford, sie hielt Vorträge in Harvard, Yale, Princeton und so weiter. Nach acht Jahren in Rom an der Bibliotheca Hertziana kam sie 1988 zurück nach Wien – als Kustos für italienische Renaissancemalerei.

Die Fachwelt begeisterte sie in den 90ern mit drei zusammenhängenden Ausstellungen. "Ich habe versucht, die drei Tätigkeiten darzustellen, die die Frau im 16. Jahrhundert bereits ausüben konnte." Ferino präsentierte die Mäzenatin und Sammlerin Isabella d’Este, die allererste Malerin Sophonisba Anguissola – und Vittoria Colonna, Dichterin und Muse von Michelangelo.

Und weil sie das KHM genau kennt, hat sie – ohne sich selbst ins Spiel bringen zu wollen – ziemlich exakte Vorstellungen davon, wie dieses zu führen wäre. Von einer Zerschlagung des Konzerns hält sie nichts. Die einzelnen Museen hätten, auch wenn sie unter KHM-Flagge segeln, ihre Autonomie. Nichts sei schlimmer, als wenn man wieder zurückkehre in die "schleppende Bürokratie" des Ministeriums. Die wirkliche Problematik liege im Fehlen von modernen Räumlichkeiten.

Nach wie vor gibt es keine Räume für Sonderausstellungen: "Wir müssen immer abhängen, umhängen, deponieren. Daher können wir nicht so abwechslungsreich sein, wie wir es sollten." Am wichtigsten sei aber die Zusammenarbeit – bei gleichzeitig größerer Sachlichkeit: Ausstellungen sollten in Kooperation mit den anderen Abteilungen erstellt werden, "um neue thematische Bezüge aufzuzeigen. Das KHM ist noch immer ein Fundus für neue, aufregende Fragestellungen." Die Arcimboldo-Schau ist ein Beispiel dafür: Ferino ergänzte die Kompositbilder mit Exponaten aus diversen Sammlungen. (Thomas Trenkler, DER STANDARD/Printausgabe, 11.02.2008)