Nur die Gestik ist ähnlich – ansonsten sind sich Kanzler Gusenbauer (li.) und sein Vize Molterer uneinig.

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Wien - SPÖ und ÖVP sind sich weiter uneinig, wie auf die hohe Inflation reagiert werden soll. Einen Pakt mit der Opposition will die SPÖ nicht eingehen – auch wenn sie der ÖVP fehlendes „soziales Gespür“ vorwirft.

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Wien – Ein ungewöhnlich scharfes verbales Duell lieferten sich Kanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) und Vizekanzler Wilhelm Molterer (ÖVP) am Mittwoch im gemeinsamen Pressefoyer nach dem Ministerrat. Zuvor konnte sich die Koalition nicht auf ein gemeinsames Paket zur Bekämpfung der hohen Teuerung einigen. Die ÖVP legte zwar erstmals ein ausführliches Positionspapier vor, lehnt aber die von der SPÖ geforderte Einmalzahlung von 100 Euro für rund 1,2 Millionen Kleinverdiener weiter entschieden ab.

Landeshauptmann Jörg Haider (BZÖ), der bereits eine Einmalzahlung in Kärnten ausgezahlt hat, dürfe nicht der „Maßstab“ für das Handeln der Regierung sein, stichelte Molterer. Er warf dem neben ihm stehenden Gusenbauer auch vor, mit der Einmalzahlung, die 120 Millionen Euro kosten würde, die Steuerreform 2010 zu gefährden. „Manche haben da eine gewisse Lockerheit entwickelt. Das ist nicht gut.“

Soziales Gespür fehlt

Gusenbauer widersprach umgehend. 120 Millionen könnten eine Steuerreform im Ausmaß von drei Milliarden Euro keinesfalls gefährden. Bei der Frage, über welchen Budgetposten das Geld aufgetrieben werden soll, griff er Molterer seinerseits frontal an: „Das ist überhaupt keine technische Frage, sondern eine Frage, ob man soziales Gespür hat.“ Das rief wieder Molterer auf den Plan: „Das sehe ich ganz anders.“ Nicht jeder Euro, der budgetiert sei, müsse auch tatsächlich ausgegeben werden, verwies er auf das weiter bestehende Budgetdefizit.

Damit waren die wechselseitigen Attacken aber noch nicht zu Ende. Gusenbauer kritisierte, dass das von der VP betriebene Auslaufen der Erbschafts- und Schenkungssteuer jährlich 150 Millionen Euro koste. Der trockene Konter des Vizekanzlers: „Nachdem du diesem Auslaufen zugestimmt hast, wird es geschehen.“

Inhaltlich sind SPÖ und ÖVP also noch weit auseinander. Man werde aber weitere Verhandlungen führen, sagte Sozialminister Erwin Buchinger (SPÖ). Als Zeithorizont nannte er zwei bis drei Monate. Dass die SPÖ im Parlament mit der Opposition und gegen die ÖVP stimmen könnte, wie er das noch am Montag angedeutet hatte, ist für Buchinger vorerst kein Thema mehr. Jetzt konzentriere man sich auf die Verhandlungen mit dem Koalitionspartner.

Und bei einigen Punkten zeichnet sich zumindest schon eine leichte Annäherung ab. So schlägt die ÖVP „weitere Erleichterungen“ für jene Pensionisten vor, die unter der Ausgleichszulagengrenze von 747 Euro im Monat liegen. Der Hintergrund: Im Gegensatz zu Mindestpensionisten ist diese Gruppe von rund 400.000 Menschen nicht automatisch von der Rezeptgebühr befreit, sondern muss erst Anträge stellen. Für Buchinger könnte es hier „Gemeinsamkeiten“ mit der ÖVP geben. Molterer wiederum sieht bei den Wünschen nach mehr Wettbewerb am Energiesektor und nach mehr Transparenz bei Lebensmittelpreisen mögliche Konsenspunkte.

Häme

Die Grünen kommentierten die mangelnde Durchsetzungsfähigkeit der SPÖ mit Häme: „Die SPÖ ist beim Teuerungsausgleich als Tiger gestartet und als Bettvorleger gelandet“, ätzte Sozialsprecher Karl Öllinger und kritisierte, dass die SPÖ der ÖVP nicht einmal einen Zeitrahmen für Verhandlungen abtrotzen konnte. Für FP-Generalsekretär Herbert Kickl wären die vorgeschlagenen Maßnahmen nur ein „Tropfen auf den heißen Stein“. Er forderte erneut ein Vorziehen der Steuerreform. BZÖ-Generalsekretär Gerald Grosz verlangte eine Einmalzahlung von 200 Euro, bezeichnete die SPÖ als „Umfallerpartie“ und forderte Neuwahlen. (Günther Oswald, DER STANDARD, Printausgabe 7.2.2008)