Viel ist über die Wirkung des Äußeren auf Arbeitgeber und deren Kompetenz-Zuschreibungen auf ihre (potenziellen) Mitarbeiter spekuliert worden: dass es schöne oder attraktive Menschen leichter haben im Leben oder im Job, dass schönen Menschen mehr vertraut oder gar zugetraut werde, davon war die Rede. Dass diese landläufig bekannten Vorurteile sich jetzt scheint's doch bewahrheitet haben, erstaunt nicht wenig. Das Handelsblatt berichtete in der Ausgabe vom 22. Juni 2006 von der Studie "Why Beauty Matters" der beiden Wissenschafter Markus Mobius (Harvard University) und Tanya Rosenblat (Wesleyan University), die besagt, dass "Schönheit" zu mehr Verdienst führe und zählten drei Gründe dafür auf:

a) Gut aussehende Personen agieren selbstbewusster und dieses Verhalten komme bei Arbeitgebern gut an.
b) Attraktiven Arbeitnehmern werde seitens des Arbeitgebers – unabhängig vom Selbstbewusstsein – höhere Produktivität zugeschrieben.
c) Attraktive Arbeitnehmer haben, so die Studie, durch das stärkere Selbstbewusstsein bessere Kommunikationsfähigkeiten. Unbewusste Vorschusslorbeeren, trotz allem aber sind sie relevant. Die eigentliche Kompetenz scheint auf den ersten Blick im Verborgenen zu bleiben. Um sich vor zu vorschnellen Urteilen zu schützen, raten nicht wenige Experten etwa zu Bewerbungsschreiben ohne Foto. So auch Hannes Pichler von der Boston Consulting Group. Zudem rät er zur Vorselektion von Bewerbungen durch nicht direkt von einer Einstellung betroffene Personen. Kandidaten können aus dem Auswahlprozess ausgeschieden werden, weil diese "zu gut" oder "zu schön", also direkte und starke Konkurrenten sein könnten, so Pichler.

Untermauert werden seine Argumente von unterschiedlichen Studienergebnissen der Psychologin Anke von Rennenkampff ("Social interaction following the think manager – think male stereotype", Brandeis Graduate Journal 2004), in der sie u. a. die Wirkung von Bildern im Lebenslauf untersuchte. Von der Kinnform über die Ausformung der Nase bis hin zum Styling seien alle Parameter für die "Beeinflussung" des Recruiters relevant, schreibt sie.

Kompetent auftragen

Für Christine Bauer-Jelinek, Gründerin und Chefin des Institutes für Macht-Kompetenz in Wien hat die berufliche Anerkennung viel mit strategischem und statusorientiertem Styling zu tun. Sie geht davon aus, dass entsprechendes Aussehen schneller zum Inhaltlichen, zur eigentlichen Kompetenz einer Person führe. Das von ihr entwickelte Konzept wird im Rahmen von Seminaren, aber auch in Einzelberatungen weitergegeben.

Bauer-Jelineks Dresscode fürs Business hat nichts mit dem landläufigen Verständnis von Mode zu tun. "Mode", sagt sie, "ist für den privaten Lebensbereich. Strategisches Styling gilt dem Jobleben, zur Anerkennung des Status." Beispiele dafür, wie über Kleidung oder Accessoires der von Bauer-Jelinek angesprochene Status kommuniziert werde, gibt es genug. Über Angela Merkels Styling-Offensive kurz vor und während ihres Wahlkampfes zur deutschen Bundeskanzlerin etwa wurde ausgiebig berichtet.

Meistens sei es so, sagt Bauer-Jelinek, dass Frauen sich erst dann ihrem Status gemäß stylen, wenn sie bestimmte Positionen bereits erreicht haben. Davor kämpfen sie häufig damit, ihren Kompetenzen und Leistungen entsprechend Anerkennung zu bekommen, sagt sie. Wenn man sich dabei weniger anstrengen will, ist Bauer-Jelineks "strategisches Styling" eine mögliche Alternative. Bauer-Jelinek: "Seinen Status deutlich nach außen zu kommunizieren ist in einer Konkurrenzsituation nicht unerheblich. Mit dem richtigen Styling geht's schneller – und Geschwindigkeit ist bekanntermaßen ein Gratmesser am Arbeitsmarkt."

Status zeigen

Der ursprüngliche Sinn von Kleidung an sich – als Schutz vor Witterung oder vor Verletzung -, sei auf nahezu alle Lebensbereiche umlegbar. Dem gesellschaftlichen Status wurde ebenfalls stets durch Kleidung Ausdruck verliehen, auch waren die verschiedenen Berufsgruppen unterschiedlich gekleidet. Dasselbe gelte heute, sagt Bauer-Jelinek. Unternehmer etwa haben in Sachen Dresscode mehr Spielraum als angestellte Manager, ebenso werde man den Freiberufler mittlerer Ebene (etwa im Vergleich zum Top-Freiberufler, der ähnlich gekleidet sei wie ein Vorstand) meist vom Manager – anhand seiner Kleidung – unterscheiden können. Je nach Branche werde die jeweilige Zugehörigkeit – von klassisch-konservativ bis alternativ-ethno – dem entsprechenden Status zugewiesen. Der dunkle Anzug des CEOs etwa wäre dann als "klassisch-konservativ" mit hohem Statusfaktor zu bewerten.


Dresscode für Frauen

Die Top-Managerin erster Führungsebene – jenseits der viel zitierten gläsernen Decke – aus einer klassisch-konservativen Branche (z. B. Finanzdienstleister) sei laut Bauer-Jelinek von Kopf bis Fuß top gekleidet, wenn sie folgende Stylingvorgaben beachte:

  • Frisur:
    "Ich rate Top-Managerinnen zu Frisuren mit maximaler Haarlänge bis zum Kinn", sagt Bauer-Jelinek. Falls das Haar gewellt oder gelockt sei, sei es gut, die Locken auszuföhnen. "Alles Wellige und Lockige wirkt zu erotisch", sagt sie.
  • Hals, Nacken:
    Das Tragen einer kurzen Kette, ohne auffällige Details, zudem nicht verspielt, sei ein Must. "Wir nennen das den ,Kehlschutz'. Der Hals ist im Kampf eine leicht verletzbare Stelle, die es zu schützen gilt", so Bauer-Jelinek. Ein Halstuch kommuniziere weniger hohen Status. Höchster Status werde mit einer kurzen Perlenkette signalisiert.
  • Bekleidung:
    Grundsätzlich gelte: je höher der Status, umso dunkler die Farben. Machtfarben seien laut Bauer-Jelinek Schwarz, Anthrazit oder Dunkelblau und Weiß. Die Stoffstrukturen seien dabei kompakt, wenig verspielt und am besten nicht gemustert.
  • Klassisches Kostüm / Hosenanzug (Sakkos):
    "Gerade Schnitte – nur nichts Verspieltes oder Glockiges", so die Expertin. Ärmel wie Sakko sollten geraden Schnitten folgen und die Blazer sollten auf jeden Fall das Gesäß bedecken. "Hier herrscht kein Figurbedarf", sagt sie, "es gilt, die sensiblen Zonen zu schützen." Das Sakko sei in der Ausführung "Drei-Knopf" zu wählen, mit Revers und Knopf am Ärmelschlitz. Auch die Unterwäsche dürfe sich nicht unter der Kleidung abzeichnen.
  • Rock / Hose:
    Beides soll gerade geschnitten sein – keine Glockenformen, keine zu engen Abschlüsse bei den Hosen. Die Röcke haben Knielänge – zu weit über oder unter dem Knie mindere den Status, so die Machtexpertin. Falls der Rock geschlitzt sei, müsse der Schlitz verdeckt genäht sein, bzw. mit einer "Kellerfalte" versehen sein.
  • Bluse / Kragen:
    Top-Status, so Bauer-Jelinek, werde auch über die Kombination der getragenen Farben kommuniziert – auf hohen Kontrast sei zu achten. Das heißt: Die weiße Bluse zum dunklen Anzug zeige höchsten Machtstatus. Die Bluse müsse lang genug sein (um nicht zu verrutschen), genauso wie die Ärmel. Es sei wichtig, die Bluse hoch zu knöpfen – bis rund zwei Zentimeter unter dem Schlüsselbein, damit auch dem "Kehlschutz" Platz gewährt sei.

    Der Kragen habe im Idealfall mittlere Größe, die Knopfleiste müsse verdeckt sein, um möglichst wenig Einblicke gewähren zu können, so Bauer-Jelinek. Schlichte Unterwäsche sei angeraten, Spitzen oder Verzierungen könnten sich sonst auf der Bluse abzeichnen. Twin-Sets sind – da nur zweilagig – für Top-Managerinnen nicht geeignet.
  • Strümpfe:
    "Tragen Sie Strümpfe im Sommer wie im Winter", sagt Bauer-Jelinek. Nichts was glitzert oder in irgendeiner Weise schimmert. Fürs strategische Styling gibt's nur eines: hautfarbene Strümpfe.
  • Schuhe:
    Das Fußkleid für die Top-Managerin ist geschlossen (keine Zehen zeigen!), klassisch, in schwarzem oder dunkelblauem Glattleder mit einem Absatz, der nicht zu dünn und maximal fünf Zentimeter hoch ist. Flache Schuhe zu tragen würde, so Bauer-Jelinek, zu männlich wirken. Achtung: Die Schuhe sind vorne abgerundet, nicht spitz und auch nicht gerade abgeschlossen.
  • Make-up:
    Auch hier gilt laut Bauer-Jelinek: nichts Glänzendes! Lipgloss ist ebenso tabu wie Lidschatten mit Glitter oder Rouge-Varianten mit ähnlichen Glamour-Komponenten. "Tragen Sie aber auf jeden Fall Lippenstift in dezenten Farben. Die Lippen können dabei durchaus betont werden, aber glitzern sollten sie auf keinen Fall", so Bauer-Jelinek.
  • Maniküre:
    Für den "strategischen Stil" sind die Nägel kurz gefeilt und "french" manikürt. Frauen ab 45 würden ihren Machtstatus mit rotem Nagellack unterstreichen.
  • Ringe / Uhren:
    Je höher der Status, umso hochwertiger der Schmuck. Klassisch seien ein Ehering und ein schlichter – keinesfalls ein opulenter, mit vielen bunten Steinen besetzter – Ring. Die Uhr habe mittlere Größe, ein Metall- oder ein dunkles Lederband. Und: Hier zählen Marken. Im Übrigen auch bei Kleidungsstücken, so sie nicht glänzen oder gemustert sind.
  • Ohrschmuck:
    Immer Ohrstecker, keine Clips – und alles dem restlichen Outfit entsprechend dezent halten.
  • Brillen:
    Bauer-Jelinek empfiehlt dezente, randlose Brillen. Eine Brille mit schwarzem Rand würde eher auf die kreative Branche hinweisen, nicht auf einen CEO eines Finanzdienstleisters. Am besten seien Kontaktlinsen.
  • Taschen:
    Taschen fürs Business sind in jedem Fall DIN-A4-fähig, selbststehend und haben einen Henkel (zum Umhängen, nicht zu kurz!). Sie sind in dunklem Leder gehalten, haben keine Zips, keine Anhänger und sonstigen Firlefanz, der vom Wesentlichen ablenken könnte. "Tragen Sie nur keinen Aktenkoffer", sagt Bauer-Jelinek, "der macht Sie zur Vertreterin." (Heidi Aichinger, Der Standard, Printausgabe 12./13.8.2006)