Wien – Am 6. Februar jährt sich zum zehnten Mal der Todestag der wunderbaren Wiener Kunstfigur Falco. Immerhin zwei Erkenntnisse kann der geneigte Besucher nach 109 nicht immer froh stimmenden Minuten beim Verlassen des Kinos mit nach Hause nehmen:
1. Man soll zu Frauen nicht zu oft "Gfrast" sagen, sonst laufen sie einem weg. Speziell auch, wenn man dieses Wort mit einer Flasche Whiskey und Marschierpulver kombiniert. "Künstler sind schwierige Menschen" und Weltstar-Bonus zählen nicht: Schon muss man wieder bei der Schwiegermutter am Land auf der Tacke stehen und Besserung geloben, damit sie einem ihre Tochter herausrückt.
2. Wenn man sich aufgrund eines schlimmen Erlebnisses sehr bedrückt fühlt, ist das nicht unbedingt die eigene Schuld. Anfänglicher Schrecken neigt nun einmal dazu, in stille Verzeiflung überzugehen. Der Heldentod ist dann zwar eine Erlösung – aber er ist keinesfalls das Ende! Das Leben geht weiter. Hey, das war doch nur ein Film!
Mit der chronologisch abgespulten und nur von wenigen pfiffigen Zeit- und Perspektivenwechseln unterbrochenen Biografie Falco – Verdammt, wir leben noch! ist Regisseur und Drehbuchautor Thomas Roth zwar vieles nicht, aber eines doch gelungen – die endgültige Etablierung eines oft belächelten, wenn nicht lachhaften Genres.
Glaubte man bis zu dieser Arbeit noch, dass sich die freiwillige heimische Kabarettisierung des Kinos und das Trauerspiel der dunklen, düsteren Autorenfilmtragödie gegenseitig ausschließen, so wird nun mittels eines Coup de Grace zusammengeschustert, was bis dato nur in Ein echter Wiener geht nicht unter ansatzweise versucht wurde. Die Passionsgeschichte einer Wiener Rabiatperle (L steht für Meidling!), dargestellt mit den Mitteln des Theaters in der Josefstadt, überführt in den Gaudimax. Der Schalk sitzt im Nacken. Und der Teufel steckt im Detail.
Kaisermühlen-Blues
Für die Jugendjahre des Hansi Hölzel in den späten 70er-Jahren etwa, die der gelernte Bassist und künftige Weltstar ("Weißt, Mama, ich möcht’ einmal so ein Popstar werden.") als Jazz-Beatle in Bands wie Hallucination Company oder Drahdiwaberl fristete, kaufte man nicht nur ganze Humana-Filialen leer. Auch beim letzten ORF-Gschnas hätte niemand als Hippie gehen können. Die Perücken im Fundus waren aus.
Allein wie hier Manuel Rubey als Falco und Arno Frisch als sein Musikerfreund Hansi Lang am Anfang dieses schweren Ganges von der Wiener Discothek U4 bis zur Turist Disco in der Dominikanischen Republik tapfer versuchen, im auf der Schauspielschule perfektionierten nasalen Schönbrunnerdeutsch den Proleten heraushängen zu lassen und immer dabei mitzudenken, dass die absurden Haarteile verrutschen könnten, lässt einen wehmütig den Kaisermühlen-Blues anstimmen: "Oh Lord, habe Gnade! Wenn du machst, dass ich armer Sündermann heil aus dem Kino komme, werde ich nie wieder etwas gegen den Villacher Fasching sagen, uh-yeah!"
Dabei kann der sympathisch wirkende Hauptdarsteller Manuel Rubey am allerwenigsten etwas dafür. Immerhin hat er brav gelernt, wie man den Falco-Darsteller Hans Hölzel eins zu eins vom verächtlichen Mundwinkel und den gespreizten Fingern bis zum Gesang nachmacht.
Im Rahmen der kommerziellen Ausbeinung Falcos ist man nach Best-of-CDs, Falco meets Classic, Live- und anderen DoRo-DVDs, unzähligen Falco-Imitatoren auf Firmenfeiern oder Begräbnissen sowie einem heute gnädig vergessenen Falco-Musical nun mit Falco – Verdammt, wir leben noch! bloß am Verwertungshöhepunkt dieser schönen Leich’ angelangt. Am 6. Februar 1998 starb Falco bei einem Autounfall. Da darf man – Geiz ist geil! – nicht zimperlich sein und unnütze Gedanken an Drehbuch, Schauspieler- und Kameraführung oder Lalelu verschwenden. Bis zum nächsten Jubiläum, etwa Hölzels 60. Geburtstag, sind es noch neun dürre Jahre. Vielleicht dürfen aber bis dahin Johann Hölzel oben im Himmel und wir hier unten unsere Ruhe vor Falco haben?
Vorher wird jetzt aber mit alten Interview-Zitaten, sattsam bekannten Falco-Onelinern und der plumpen Psychologisierung von alten Falco-Liedern schnell, schnell ein Script gebastelt. Vorher müssen wir noch Durchlaucht Sunnyi Melles als Straßendirne erleben, die dem jungen Hansi mit dem Blick der desillusionierten Gewissheit erklärt, dass man in dem Haus, vor dem sie die Korsage auslüftet, später, wenn man etwas gelernt und viel Geld hat, das Glück kaufen könne. Obacht, Kunstgriff: filmisches Omen!
Mehrmals zwischengeschnitten wird Drama-Queen Grace Jones als rüstige dominikanische Disco-Wirtin. Sie ahnt von Anfang an, dass der Held mit seinem Jeep in knapp zwei Stunden in einen Bus krachen wird. Aber halt! Erst einmal Szenen einer Ehe, "ölige" Manager, debile Radioredakteure, weißes Pulver auf Glastischen, Unsicherheit, Selbsthass, Machotum – und jede Menge eins zu eins nachgestellte Falco-Videos. Aufstieg und Fall eines zum Symbol für die 80er-Jahre gewordenen Kunst-Pülchers. Der kam mit sich und der Welt nie zurecht. Was für ein Filmstoff! Und was für ein Ergebnis. (Christian Schachinger, DER STANDARD/Printausgabe, 02./03.02.2008)