And Also The Trees: (listen for) The Rag And Bone Man (Normal, Indigo, 2007).

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And Also The Trees (AATT) rund um die Gebrüder Jones sind eine Ausnahmeerscheinung in der Musiklandschaft: als eine der letzten Überlebenden der Post-Punk Bewegung sind sie ihrem Sound treu geblieben, der trotz stilistischer Vielseitigkeit und musikalischer Weiterentwicklung fortbesteht. Bis heute zelebrieren AATT ihre Songs auf eine dunkel und pathetisch-romantische Art, die die alten Fans von Bands wie The Cure , Echo & The Bunnymen oder Joy Division in der aktuellen Musikszene so schmerzlich vermissen.

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Erste musikalische Gehversuche starteten AATT im Jahr 1979. Von Beginn an sahen sie sich als Außenseiter und zogen die ländliche Abgeschiedenheit in ihrem Heimatort Inkberrow in Worcestershire, in den englischen Midlands, gegen den Glanz und die Hektik der Musikmetropole London vor. Bis 1980 absolvierten sie zwei Live-Auftritte und fanden sich danach plötzlich im Vorprogramm von The Cure wieder. Deren Sänger Robert Smith hatte AATT nach Anhören eines Demobands zu seiner Lieblingsband erkoren.

Zwischen den beiden Bands entstand eine Freundschaft, die, wie bei allen Beziehungen, von einem Auf und Ab gekennzeichnet sein sollte. Der Höhepunkt: Laurence Tolhurst, Keyboarder der The Cure, produzierte die ersten beiden Singles sowie das Debut-Album von AATT. Daraus folgte aber auch schon bald die Talfahrt: Die Bäume wurden fortan mit The Cure verglichen, die Presse schimpfte sie Epigonen, ohne darüber nachzudenken, welchen Einfluss die Trees auf The Cure und deren düster-melancholische Klänge gehabt haben könnten.

Enttäuscht von den Reaktionen der Öffentlichkeit brachen AATT 1984 nach einer zweiten gemeinsamen Tournee mit The Cure die Beziehung ab und zogen sich ganz aufs Land zurück, wo sie fortan in ihrem Studio an ihren Sounds feilten. Zwei Resultate ergaben sich aus diesem Bruch: die 1985 erschiene EP A Room Lives In Lucy führte den mandolinenhaften Gitarrensound ein, der bis heute zum Markenzeichen der Band gehört.

Ferner ließen sie lange Zeit bei ihren Tourneen ihre britischen Landsleute außen vor und erspielten sich auf dem Kontinent - insbesondere in Frankreich, der Schweiz und in Deutschland - eine loyale und stetig anwachsende Anhängerschaft, die bis heute besteht. Denn wer AATT einmal auf der Bühne gesehen hat, vergisst sie so schnell nicht mehr: ähnlich wie Nick Caves Birthday Party sind sie annähernd einzigartig darin, explosive Songs aus einer beharrlichen Spannung zu kreieren. Was sich eindrucksvoll auf dem Live-Album The Evening of the 24th (1987) manifestiert.

Ihrem dunklen Zeitalter der 80er folgten die sonnigeren Tage der 90er: Mit dem schönen Album The Klaxon (1993) startete die Band eine Rock'n'Roll Phase, gefolgt von swingendem und surfigem Gitarrenrock (Angelfish, 1996) sowie vom mit Jazz-Elementen bestückten Silver Soul (1998), zwei Alben, die viele ihrer zahlreichen Dark Wave-Anhänger verstörten. Doch im neuen Jahrtausend besannen sich AATT wieder auf ihre Wurzeln, mit einer weiteren stilistischen Erneuerung: sie wurden schneidiger und geradliniger.

Medley

29 Jahre lang bestehen AATT nun schon. Mit (listen for) The Rag and Bone Man haben sie nun ein sehr akustisches Album geschaffen, das wieder voll von dunkler, geheimnisvoller und glitzernder Musik ist. Ihr zehntes Album wirkt auch so, als hätten sämtliche Phasen aus der Geschichte der Band darauf ihre Spuren hinterlassen (so zum Beispiel die frühen 80er mit Domed, die jazzigen Melodien in Rive Droite , oder an die epischen Balladen mit Candace ), wären da nicht neue Elemente. So sorgt zum Beispiel der Doppelbass des neuen Bandmitglieds Ian Jenkins für die Schwere und das Pulsieren der Songs. Auch wiegt sich das Instrument in Harmonie mit dem Schlagzeug von Paul Hill. Für weitere Soundtupfer sorgen Piano und Perkussion von Emer Brizzolara sowie Orgel, Zither und Akkordeon des Virtuosen an der Gitarre, Justin Jones.

Dieser ist auch verantwortlich dafür, dass die Stimmungen auf dem Album von seinen voluminösen Gitarrenschwärmen getragen werden, mal ruhig dahinschwebend wie ein Blatt im Wind, dann wieder explosionsartig ausbrechend. Schlagzeug und Bass legen dazu federnde Rhythmusteppiche aus, die den Liedern von AATT eine für diese Art der (dunklen) Musik ungewöhnliche Leichtigkeit verleihen. Auch wenn auf (listen for) The Rag and Bone Man ruhige Partituren mit gedämpftem Beat überwiegen, ist es kein durch und durch von Schwermut getränktes Album wie The Beautiful Silence oder The Legend Of Mucklow zeigen. Letzteres besticht neben dem verstörenden Schlagwerk auch durch Simon Huw Jones' eindrucksvollen und teils schauderhaften Gesang. Angelehnt an eine Erzählung aus den Midlands besingt er mit bedrohlicher Stimme das Schicksal des angeblichen Schafdieb Mucklow, der gehängt wurde.

Mit ihrer Vergangenheit verzahnt sind auch auf diesem Tonträger die Themen ihrer Lieder, dessen Hauptgenerator der charismatische Sänger der Band ist. Simon Huw Jones steht nach wie vor im Mittelpunkt der Band. Seine Stimme ist an Intensität kaum zu überbieten, sie bewegt sich meistens zwischen Gesang und Rezitation und sorgt für eine einzigartige Schwere und Tiefe der Texte. Die bedeutungsvolle Interaktion zwischen Musik und Lyrik ist ein weiteres Charakteristikum der "Bäume": Schriftsteller, Gemälde, Folklore, Natur und Landschaften sind Inspiration und Thema zugleich. Aus ihnen generiert Jones die Texte zur Musik.

Motive

Die Lieder von AATT erschließen sich wie auch auf diesem Album nicht beim ersten Hören. Vielmehr muss man mit ihnen umgehen wie mit Gedichten: je öfter man sie liest, desto intensiver taucht man in ihre Geschichten ein, in ihre Landschaften und ihre Charaktere; so sieht man diese allmählich vor sich und beginnt, zwischen den Zeilen zu lesen. Und wie bei jeder Poesie offenbaren sich so die dahinter verborgenen Erzählungen und Gefühlswelten: Zerstörung, Angst, Abhängigkeit, Verlust, Versuchung und Verlangen sind Motive, die sich wie ein roter Faden durch ihre Alben ziehen.

AATT gelten nicht ohne Grund schon lange als Schöpfer von zeitlos schönen Liedern sowie von einigen der poetischsten Songs der Musikgeschichte. Dennoch widerfährt dieser Band nicht die Anerkennung, die sie wegen ihrer langjährigen und qualitativ hochwertigen Arbeit verdient hätten. Doch vielleicht ist es auch besser so. Ein Nachteil daraus jedoch steht fest: während ihres 30-jährigen Bestehens gaben sie erst zwei Mal ein Konzert in Österreich. Bleibt zu hoffen, dass es AATT trotz ihrer ohnehin raren Auftritte bald auch wieder weiter in den Osten ziehen wird. (cra)