"(165) Die Generaldirektion Wettbewerb ist aufgrund der vorliegenden Information zur vorläufigen Auffassung gelangt, dass es sich bei der Finanzierung durch Programmentgelt um eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 87 (1) EGV handelt. Das auf den ORF anwendbare Finanzierungssystem kann nach der vorläufigen Auffassung der Generaldirektion Wettbewerb als bestehende Beihilfe angesehen werden.

(166) Aufgrund der ihr vorliegenden Informationen ist die Generaldirektion Wettbewerb der vorläufigen Auffassung, dass das System zur Finanzierung des öffentlichen Rundfunks in Österreich nicht mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist.

(167) Im Einklang mit der Entscheidungspraxis der Kommission ist die Generaldirektion Wettbewerb der vorläufigen Auffassung, dass folgende Maßnahmen geeignet sind, die dargelegten Bedenken auszuräumen:

  1. Konkretisierung des öffentlich-rechtlichen Auftrags insbesondere hinsichtlich der Erbringung von Onlinediensten sowie der Veranstaltung des Sport-Spartenprogramms. Diesbezüglich scheint es sinnvoll, bei der Bestimmung, inwieweit neue Medienangebote den demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Gesellschaft dienen, Kriterien zugrunde zu legen, mit denen der gemeinwirtschaftliche Charakter des in Frage stehenden Angebotes auch unter Berücksichtigung bereits auf dem Markt vorhandener Angebote beurteilt werden kann. Dies kann beispielsweise durch die Erstellung eines Angebots- bzw. Programmkonzeptes hinsichtlich der vom Auftrag erfassten Online-Dienste sowie des Zusatzprogramms ORF Sport Plus geschehen, in dem die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen konkret ausgewiesen sind.

  2. Maßnahmen, die eine angemessene nachträgliche Kontrolle der Erfüllung des Auftrags auf der Grundlage eines näher konkretisierten öffentlichen Auftrags erlauben.

  3. Beschränkung der staatlichen Finanzierung auf die Nettokosten des öffentlichen Auftrags und entsprechende ex post Kontrolle möglicher Überkompensation sowie Gewährleistung, dass rein kommerzielle Aktivitäten der Rundfunkanstalten nicht von staatlichen Zuwendungen profitieren (Ausschluss von Quersubventionen). Dies ist beispielsweise dadurch zu erreichen, dass Rechtsvorschriften erlassen werden, mit denen die Finanzierung der öffentlichen Rundfunkanstalten auf die Nettokosten des öffentlichen Auftrags beschränkt wird. Hinsichtlich der Ex-Post-Kontrolle (beispielsweise durch eine unabhängige Aufsichtsinstanz) sollte sichergestellt werden, dass das Programmentgelt (sowie andere staatliche Zuwendungen) die bei der Erbringung des öffentlichen Auftrags entstandenen Kosten nicht übersteigen. Außerdem sollte es Regeln und Kontrollmechanismen hinsichtlich möglicher Überschüsse zum Ende eines jeden Jahres sowie zum Ende eines angemessenen Zeitraums (normalerweise nicht länger als 4 Jahre) geben. Die möglicherweise von einem auf das nächste Finanzjahr zu übertragenden Überschüsse sollten nicht 10% der jährlichen staatlichen Zuwendungen übersteigen. Dies bedeutet ferner, dass innerhalb eines bestimmten Zeitraums nicht verwendete Überschüsse der Verfügungsgewalt des ORF entzogen werden sollten. Gleichzeitig sollte sichergestellt werden, dass, dass eventuelle Überschüsse keinesfalls zur Finanzierung von Tätigkeiten verwendet werden, die über den gesetzlichen Auftrag hinausgehen.

  4. Es ist durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass sich der ORF hinsichtlich seiner kommerziellen Tätigkeiten, insbesondere bezüglich TW1, nach marktwirtschaftlichen Prinzipien verhält. Dies kann dadurch erreicht werden, dass Regeln aufgestellt werden, die den ORF zu marktkonformem Verhalten verpflichten. Ein solches Verhalten umfasst marktkonformes Verhalten gegenüber Dritten (z.B. kein Unterbieten von Preisen beim Verkauf von Werbezeit), den Grundsatz des Fremdvergleichs in den Beziehungen zwischen dem ORF und seinen Tochtergesellschaften sowie den Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden Investors im Hinblick auf Investitions- und Beteiligungsentscheidungen des ORF. Die Einhaltung dieser Grundsätze sollte einer regelmäßigen externen Kontrolle unterliegen. Hierbei sollte gewährleistet werden, dass der Finanzierungsbedarf des ORF durch nicht marktkonformes Verhalten nicht unnötig erhöht wird.
  5. (168) Gemäß Artikel 17 (2) der Verfahrensverordnung enthält dieser Brief die vorläufige Auffassung der Generaldirektion Wettbewerb hinsichtlich der Vereinbarkeit der verschiedenen Aspekte des Finanzierungssystems des öffentlichen Rundfunks in Österreich. Der Republik Österreich wird hiermit Gelegenheit gegeben, zu der Auffassung der Kommission Stellung zu nehmen. In Artikel 17 (2) der Verfahrensverordnung ist hierfür eine Frist von einem Monat vorgesehen. In ordnungsgemäß begründeten Fällen kann die Kommission diese Frist verlängern.

    (169) Ich möchte Sie auch darauf hinweisen, dass die Kommission gehalten ist, der Republik Österreich gemäß Artikel 18 im Wege einer Entscheidung zweckdienliche Maßnahmen vorzuschlagen, sollte sie nach Übermittlung der Stellungnahme der Republik Österreich zu dem Schluss kommen, dass die bestehende Beihilferegelung mit dem Gemeinsamen Markt nicht vereinbar ist. Der Vorschlag kann insbesondere in folgendem bestehen:
    a) inhaltliche Änderung der Beihilferegelung oder
    b) Einführung von Verfahrensvorschriften oder
    c) Abschaffung der Beihilferegelung."