Der Historiker Klaus Hödl sieht seine berufliche Zukunft eher im Ausland.

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"Ich hasse Archive!" bekennt Klaus Hödl mit wohldosierter Selbstironie. Und er nennt die Gründe. "Den Staub, die Kälte im Winter, die stickige Luft und auch die Weltabgewandtheit."

Doch die Suche nach neuen Erkenntnissen führt den auf jüdische Kultur spezialisierten Grazer Historiker immer wieder in die düsteren Schatzkammern der Geschichtsforschung - ob in Jerusalem, wo er die letzten eineinhalb Jahre arbeitete, in Paris oder New York. Die Ergebnisse seiner oft entbehrungsreichen Quellenstudien haben dem 44-jährigen im steirischen Kurort Bad Radkersburg geborenen Forscher allerdings auch Anerkennung und internationale Aufmerksamkeit beschert.

Erst kürzlich kam er von einer Vortragsreise in den USA zurück, die ihn nach Montreal, Philadelphia und New York geführt hatte. "Das Interesse an meinem Ansatz bei der Erforschung des jüdischen Lebens, dem ein noch relativ junges, dynamisches Kulturverständnis zugrunde liegt, ist groß", freut sich Klaus Hödl.

Dass auch seine berufliche Zukunft eher im Ausland stattfinden wird, liege vor allem an den in Österreich noch nicht sehr ausgereiften universitären Strukturen für sein Fachgebiet. "Jüdische Studien sind ein relativ neues Forschungsfeld, das erst in den 1980er-Jahren gemeinsam mit den Kulturwissenschaften entstanden ist", so der Wissenschafter. Zwar gibt es etwa in den USA oder Deutschland bereits eine Reihe von Einrichtungen für dieses Fach, in Österreich hat sich hier aber erst relativ wenig getan.

An der Entstehung des vor rund sieben Jahren an der Grazer Universität gegründeten "Centrums für Jüdische Studien" hat Hödl maßgeblich mitgewirkt. Seit kurzem wird in diesem Rahmen auch ein Masterstudium auf der Basis eines Joint-Degree-Programms mit der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg angeboten: "Während die Heidelberger die judaistische Sichtweise einbringen, sind wir in Graz eher kulturwissenschaftlich orientiert", erklärt Klaus Hödl.

Das viersemestrige Studium ist ausgesprochen interdisziplinär: vor allem Theologen, Germanisten, Philosophen, Historiker und Kunsthistoriker sind daran beteiligt. Geplant sind zudem weitere Kooperationen mit der New York University und den Universitäten von Antwerpen und Budapest. Sein bisheriges "strukturell erzwungenes Wanderleben" wird der habilitierte Historiker trotz dieser Einrichtung allerdings nicht aufgeben (können), da es in Österreich nach wie vor keine eigene Professur für Jüdische Studien gibt.

Zu seinem Lebensthema hat ihn übrigens die Waldheim-Affäre gelenkt: "Dieser Skandal war quasi mein Einstieg ins Judentum", erinnert sich Klaus Hödl an den Streit um die Vergangenheit des mittlerweile verstorbenen Politikers. Seine Dissertation schrieb der Steirer über "Galizische Juden an der Lower East Side", die anschließende Studie über die galizischen Juden in Wien wurde vom Jewish Welcome Service beauftragt.

Es folgten ein Fulbright- und ein Schrödinger-Stipendium sowie eine Reihe von Projekten des Wissenschaftsfonds, aus denen mittlerweile fünf Bücher hervorgingen. Es ist nicht weiter erstaunlich, dass auch die private Lektüre des leidenschaftlichen Bergwanderers und bekennenden Handyverachters jüdisch geprägt ist: "Meine Lieblingsautoren sind Philip Roth und Paul Auster", sagt Hödl. (Doris Griesser/DER STANDARD, Printausgabe, 30.1.2008)