Tel Aviv - Nicht mehr die Versorgung des Gazastreifens, sondern die veränderte Realität an der de facto nicht mehr existierenden Grenze bei Rafah war das dringlichste Problem, um dessen Lösung am Wochenende zwischen Ägypten, Israel, der Hamas und der Fatah gerungen wurde. Die beiden rivalisierenden Palästinensergruppen boten sich jeweils dafür an, am von der Hamas durchbrochenen Grenzübergang gemeinsam mit den Ägyptern wieder einen Kontrollmechanismus aufzubauen. Das Thema dominierte auch das Treffen zwischen Ehud Olmert und Mahmud Abbas am Sonntag in Jerusalem, bei dem Israels Premier und der Palästinenserpräsident ursprünglich den Fortschritt der Friedensverhandlungen besprechen wollten, die nun aber wieder auf Eis liegen.

Maßnahmen versprochen

In Kairo hatte Ägyptens Außenminister Ahmed Abul Gheit „Maßnahmen zur baldigen Kontrolle der Grenze“ angekündigt, ohne dies weiter zu präzisieren. Und tatsächlich schienen die Ägypter die Schrauben am Wochenende nach und nach fester zu ziehen. Fußgänger konnten sich am Sonntag zwar weiterhin in beide Richtungen bewegen, doch Autos wurden gestoppt. Abbas, so hieß es im Vorfeld des Gespräches, wollte von Olmert einerseits die Beendigung der israelischen Lieferblockade fordern und andererseits vorschlagen, dass die Autonomiebehörde die Verantwortung für den Grenzübergang übernimmt. Nach Israels Rückzug aus dem Gazastreifen im Sommer 2005 war unter Beteiligung der Ägypter und der Europäischen Union ein präzises Abkommen über die Grenzkontrollen geschlossen worden, das aber mehrfach gebrochen wurde und nun durch die Ereignisse überholt scheint.

Separate Gespräche

Die Ägypter wollten Vertreter der Hamas und der Fatah zu separaten Gesprächen nach Kairo laden – dabei soll nicht nur eine Regelung für die Grenze ausgehandelt, sondern zugleich auch eine Wiederannäherung der beiden Parteien vermittelt werden, die im vergangenen Juni nach einem brutalen Bürgerkrieg im Gazastreifen miteinander gebrochen haben. Für die Islamisten wäre es ein Gewinn an Autorität und Prestige, wenn sie tatsächlich in den Betrieb des Grenzterminals einbezogen würden. Genau deshalb bleibt Abbas dabei, dass er mit der Hamas nur kooperieren will, wenn sie zuvor ihren „Putsch“ rückgängig macht. „Die Hamas hat ein Verbrechen gegen das palästinensische Volk, seine Einheit und seinen Traum begangen“, sagte Abbas am Samstag in einer Rede in Ramallah.

Bei den Israelis ist seit dem Aufgehen der „Hintertür“ bei Rafah keine klare politische Linie zu erkennen. Verteidigungsminister Ehud Barak berichtete dem Kabinett von einer „Neigung“ der Ägypter, die Ordnung wiederherzustellen, und gab zu verstehen, dass Israel die Blockade vorläufig fortsetzen wolle. Dem israelischen Radio zufolge haben die Vertreter des Staates bei einer Verhandlung vor dem Obersten Gerichtshof aber angekündigt, dass die Brennstofflieferungen in den Gazastreifen wieder im normalen Umfang zugelassen würden. Zwei Menschenrechtsorganisationen hatten von den Richtern eine einstweilige Verfügung zur sofortigen Aufhebung der Blockade verlangt, die Entscheidung darüber wurde aber vertagt.

(Ben Segenreich, DER STANDARD, Printausgabe, 28.1.2008)