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Der Schaden ist eingetreten, nun beginnt der Urheberstreit. Nicht nur moralisch, sondern auch gerichtlich. In den USA klagen Wohnungseigentümer die Hausfinanzierer, diese die großen Banken, die wiederum von geschädigten Investoren zur Rechenschaft gezogen werden. Und auch den Ratingagenturen droht wegen ihrer generösen Einstufung der Kreditforderungen Ungemach. Doch nach Ansicht vieler Experten wird dabei der wahre Übeltäter außer Acht gelassen: die Regulatoren, die eine falsche Einschätzung der Risken und deren weltweite Streuung zuließen. "Die Zentralbanken akzeptierten die neuen Vehikel ohne Kontrolle. Das ist eine Katastrophe", meint der Chef des weltweit drittgrößten Kreditversicherers Coface, Jérôme Cazes. Er bezeichnet die Vorgangsweise rund um die Verbriefung der Hypothekar-Papiere als "public mission" der US-Aufsicht: "Damit standen die verbrieften Wertpapiere auch den Pensionsfonds zur Veranlagung zur Verfügung."

Die Ratingagenturen dienten nur als Mittel zum Zweck, das Ganze sei ein "Trick" gewesen, um die Problemkredite loszuwerden. "Wie sonst konnten derartig viele CDOs (besicherte Kreditforderungen, Anm.) so rasch geratet werden, ohne dass man deren Management kannte, geschweige denn Erfahrungswerte mit diesen Instrumenten hatte?“ Cazes zufolge existieren derzeit 5000 Spezialgesellschaften (SIV), die mit der Top-Bonitätsstufe AAA bewertet werden. "Heute lacht jeder über Triple A", meint der Coface-Chef.

Obwohl er die falsche Bewertung und Weitergabe der Risken für problematisch hält, macht er die Ratingagenturen und Banken nicht dafür verantwortlich. Es sei schließlich normal, dass die Unternehmen Profite maximieren, erläutert Cazes anlässlich eines Coface-Kongresses in Paris. Das Problem liege eben in der Zulassung derartiger Konstruktionen durch die Aufsicht. Die Verteilung der Risken sei "falsch und gefährlich", deren Verwaltung sollte künftig wieder Banken und Versicherungen vorbehalten sein.

Basel II kommt zu spät

Dass die Kreditblase durch die Regulatoren nicht gerade gebremst wurde, meint auch Franz Hahn vom Wirtschaftsforschungsinstitut in Wien. Die in "Basel II" verankerten Vorschriften geben vor, mit wie viel Eigenkapital die Banken die Risken unterlegen müssen. Allerdings traten die Bestimmungen in den USA erst heuer und das nur schrittweise in Kraft. "Den Banken war es bisher leicht möglich, Kredite aus den Bilanzen zu nehmen", beschreibt Hahn die Praxis. "Damit hatten sie Spielraum für neues Kreditgeschäft." Anders sehe es auf der Aktivseite aus. Für den Erwerb verbriefter Kreditderivate spiele Basel II keine Rolle.

Zurück zur Klagsflut: Derzeit prüft beispielsweise die New Yorker Staatsanwaltschaft, ob die großen US-Investmentbanken beim Verkauf der CDOs ausreichend über die Risken informierten. Angehängt an die Verfahren haben sich zahlreiche geschädigte Investoren – weltweit. Die Banken wiederum wollen sich an den Hypothekarfirmen schadlos halten, denen sie die einzelnen Forderungen abkauften. Kurz gesagt: Jeder klagt jeden. (Andreas Schnauder, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24.01.2008)