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Der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl hatte am Sonntag Grund zu Feiern.

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Der Abstand zur SPÖ ist gewachsen: Vizebürgermeister Walter Ferk ist daraufhin zurückgetreten.

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Die islamfeindlichen Aussagen von Spitzenkandidatin Susanne Winter haben sich als "Rohrkrepierer" für die FPÖ erwiesen, stellte OGM-Chef Wolfgang Bachmayer fest: Die FPÖ legte zwar zu, aber weniger als in den Umfragen vor der Wahl schon prognostiziert worden war.

Der "Islam-Wahlkampf" der FPÖ ging nach hinten los: Die Freiheitlichen blieben am Sonntag weit hinter ihrem Ziel zurück, sie legten bei geringer Wahlbeteiligung nur leicht zu. Der Wahlsieger ist Bürgermeister Siegfried Nagl, dessen ÖVP rund vier Prozentpunkte zulegte. SPÖ und KPÖ verloren, die Grünen errangen Platz drei.

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Die Rechnung der FPÖ ging nicht auf. Die Blauen hatten mit ihren Islam-Beschimpfungen ganz offensichtlich die Schmerzgrenze der Grazer überschritten, die sich von den FP-„Brandstiftern“ eher ab- als zuwandten. Die FPÖ legte zwar rund drei Prozent auf 11 Prozent zu, blieb aber weit hinter ihren Erwartungen. Sie blieben fünftstärkste Partei.

Der Sieger des Grazer Wahltages heißt ÖVP-Bürgermeister Siegfried Nagl, er steht künftig mit Stadträten der SPÖ, Grünen, KPÖ und FPÖ, die alle in den Stadtsenat kommen, einer „Regenbogen-Regierung“ vor. Das BZÖ konnte vom Radikal-Wahlkampf der FPÖ ebenfalls profitieren und wird erstmals in den Gemeinderat einziehen.

Für die FPÖ selbst erwiesen sich die islamfeindlichen Aussagen von Spitzenkandidatin Susanne Winter jedoch als "Rohrkrepierer", wie OGM-Chef Wolfgang Bachmayer feststellte. In den Umfragen vor der Wahl waren der FPÖ schon elf bis 13 Prozent prognostiziert worden. Aber die Winter-Rede beim FPÖ-Neujahrstreffen vor einer Woche trug wesentlich zur Mobilisierung und Umorientierung der Wähler bei. Fast jeder fünfte Wähler (18 Prozent) hat sich erst in den letzten Tagen für die gewählte Partei entschlossen, ergab die telefonische Wahltagsbefragung von OGM. Die Stimmen der "late deciders" kamen vor allem der ÖVP und den Grünen zu Gute. Für die Grazer, die doch FPÖ wählten, waren die "klaren Aussagen gegen den Islam" aber immerhin das zweit-wichtigste Motiv für die Entscheidung (24 Prozent). Das noch stärkere Motiv war allerdings der Protest gegen die politische Situation in ihrer Stadt.

"Ruhepol"

Nagl konnte als „Ruhepol“ am stärksten von der politischen Situation profitieren, die sich in den vergangenen Tagen seit dem Neujahrstreffen der FPÖ mit ihren Islam-Ausritten massiv polarisiert hatte. Nagl verbesserte entgegen allen Erwartungen sein altes Ergebnis von 2003 und hält jetzt bei knapp 38 Prozent. Damit ist Nagl in der Lage, mit den Grünen – die zweiten großen Gewinner des Tages – eine schwarz-grüne Stadtkoalition zu bilden. Die Grünen legten um gut sechs Prozent auf nunmehr rund 14,5 Prozent zu. Bürgermeister Nagl hatte einen Pakt mit den Grünen bereits vor der Wahl angeboten. Jetzt, nach dem Urnengang und mit einem guten Ergebnis im Rücken, sagte die grüne Spitzenkandidatin Lisa Rücker, die in die Stadtregierung einziehen wird: „Schwarz-Grün? Das wäre etwas wirklich Neues.“

Der große Verlierer ist SPÖ-Vizebürgermeister Walter Ferk, der Nagl herausfordern wollte und deutlich daran gescheitert ist. Ferk hatte bereits 2003 mit knapp 26 Prozent das historisch schlechteste Ergebnis für die SPÖ erzielt. Jetzt führte er seine Partei gar in den Keller unter 20 Prozent. SPÖ-Landeshauptmann Franz Voves sprach von einem „fürchterlichen Wahlergebnis“, spielte aber den Ball von der Landespartei weg: „Die Grazer SP ist aufgerufen, Konsequenzen zu ziehen.“ Was Ferk umgehend einlöste: Er kündigte nach diesem „dramatischen Ergebnis“ seinen Rücktritt an.

"Völlig neues Phänomen"

Das schlechte Abschneiden der SPÖ lag auch an einem „völlig neuen Phänomen“, wie OGM-Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer im STANDARD-Gespräch erklärte. Es seien mehr 30- bis 50-Jährige zur Wahl gegangen und die traditionell treueste SPÖ-Wählerschicht – die 50-plus-Generation – habe diesmal „ausgelassen“. Und es gab eine zweite große Verliererin: die KPÖ. Sie konnte das außergewöhnliche Ergebnis von 20 Prozent nicht halten und stürzte auf elf Prozent ab. Die Partei konnte ganz offensichtlich den Abgang ihrer „Ikone“ Ernest Kaltenegger, der in den Landtag gewechselt war, nicht verkraften. Die KPÖ behielt allerdings einen Stadtratssessel.

Die Grünen brachen diesmal jedenfalls mit einer Tradition. Sie hielten sich weitgehend an die Umfragen, die ihnen schon relativ früh einen deutlichen Stimmenzugewinn voraussagten. Besonders in den bürgerlichen Bezirken Leonhard, Geidorf oder St. Peter kamen sie tatsächlich auf mehr als 20 Prozent. Sie konnten auch vom Abbröckeln der SPÖ und vor allem der KPÖ profitieren. Nutznießer in den Arbeitervierteln, wo die KPÖ deutlich verlor, waren aber auch die FPÖ und in kleinerem Ausmaß die ÖVP. (DER STANDARD, Printausgabe 21.1.2008)