Luise Maria Sommer ist Gedächtnistrainerin und Autorin des Buches "Gutes Gedächtnis leicht gemacht".

Foto: derStandard.at/Mark

Die 52-Jährige ist zweimalige österreichische Gedächtnismeisterin und die Weltrekordhalterin im Memorieren von Namen und Gesichtern.

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Visualisierung ist der Schlüssel zum Tor des Gedächtnisses, meint die Gedächtnistrainerin Luise Maria Sommer. "Als Kinder haben wir das Denken in Bildern gut beherrscht. Diese Fähigkeit müssen wir wieder neu entdecken", ist Sommer davon überzeugt, dass das Lernen erlernt werden kann. Ihren herausragenden Merkfähigkeiten hat die zweimalige österreichische Gedächtnismeisterin einen Eintrag ins "Guiness Buch der Rekorde" zu verdanken. Sommer prägte sich in zweieinhalb Minuten 36 Richtungsänderungen auf einem Stufenparcours ein. "Von nichts kommt nichts", lautet ihre Devise. Ein gutes Gedächtnis sei nicht angeboren, es kann von jedem erworben werden, referierte die studierte Pädagogin im Rahmen des aktuellen HRCircles "Business Memory – Gutes Gedächtnis leicht gemacht".

"Farbe ins Gedächtnis bringen"

Der Kampf gegen die Vergesslichkeit könne mit dem "Suchen von neuen Herausforderungen" gewonnen werden, betont die 52-Jährige, die sich "mental noch nie so fit gefühlt hat wie heute". Das Alter spiele dabei keine Rolle: "Es ist nie zu spät, um mit dem Üben zu beginnen." Sommer erzählt eine Geschichte: "Unter dem Eiffelturm steht ein mit einem roten Tuch wedelnder Torero. Plötzlich rast ein Volvo auf ihn zu. Aus dem Auto springt die deutsche Fußballnationalmannschaft. Ein Stoff-Rentier, das Maskottchen, liegt im Kofferraum." Mit "Farbe ins Gedächtnis bringen" meint Sommer das Herstellen von Assoziationen. Die Quintessenz dieser merkwürdigen Erzählung: Frankreich, Spanien, Schweden, Deutschland und Finnland sind der Reihe nach die fünf größten EU-Länder. Der Eiffelturm symbolisiert Frankreich, der Torero gehört zu Spanien, der Volvo kommt aus Schweden etc. "Das werden Sie sich jetzt ein Leben lang merken", behauptet die Expertin und hat wahrscheinlich Recht damit.

Immer mehr Teile des Gehirns ausgelagert

Sommer trainiert ihr "geistiges Werkzeug" bei jeder Gelegenheit. Vor dem Vortrag begrüßte sie alle Teilnehmer persönlich. Bei der Vorstellungsrunde schüttelte sie die Vor- und Nachnamen der ca. 50 Anwesenden locker aus ihrem Gedächtnis. Eine leichte Übung für die dreifache Mutter, die aufgrund von Alzheimerfällen in der Familie mit dem Merktraining begonnen hat. Heutzutage seien die Leute schon in frühen Jahren mit "digitalem Alzheimer" konfrontiert. Merkliche Stützen wie Outlook, digitale Telefonbücher etc. würden bewirken, dass immer mehr Teile des Gehirns ausgelagert werden. In Zeiten der Reizüberflutung und Informationsfülle müsse jeder selbst entscheiden, was er sich einprägen will. Das Geheimnis des Erfolges seien die "Gedächtniswerkzeuge", gepaart mit regelmäßigem Training.

Begriffe an Orten "ablegen"

Sommer greift dabei auf die "Mnemotechniken" zurück, schon von den Alten Griechen angewandte Instrumentarien, um geistig in Schuss zu bleiben. Die 52-Jährige schwört bei den Merkhilfen besonders auf die "Loci-Methode". Locus bedeutet Platz oder Ort. "Suchen Sie sich Orte in einem Raum, an denen Sie bestimmte Begriffe ablegen." "Einfach und effektiv" sei so ein "Gedächtnisraum", wo für jedes Wort ein eigener Platz reserviert ist. Beim virtuellen Rundgang durch den Raum könnten die deponierten Termini dann wieder "abgeholt" werden. Sommer verwandelt sämtliche Namen, Daten und Fakten in assoziative Bilder. Der Fantasie soll freien Lauf gelassen werden. Wie merkt man sich zum Beispiel die Hauptstadt von Kirgistan? Ganz einfach: "Da kommt mir ein Kirtag in den Sinn. Dort gibt es nur BISCHkotten und KEKs zu essen. Der Name der Hauptstadt lautet also Bischkek", erläutert Sommer ihre Assoziationsketten. Je skurriler die Verknüpfung, desto merk-barer.

151 gemerkte Namen in 15 Minuten

Um Namen zu speichern, wendet die Gedächtnistrainerin die "BMV-Formel" an. Man müsse sich dabei ein Bild vom Namen machen, ein markantes Merkmal an der Person suchen und das Ganze miteinander verknüpfen. Luise Maria Sommer kennt sehr viele Leute. Sie ist schließlich auch Weltrekordhalterin in der "Königsdisziplin", dem Memorieren von Namen und Gesichtern. Die aktuelle Bestmarke liegt bei 151 gemerkten Namen in 15 Minuten. Beim Einprägen von Zahlenkombinationen heiße das Patentrezept auch Visualisierung, erklärt Sommer. Von jeder Ziffer müsse ein Konnex zu einem Bild hergestellt werden. Sie assoziiere zum Beispiel die Zahl Fünf mit einer Hand, die Sechs stehe für eine Hex, die Sieben für ein Sieb usw.

Wiederholungen mit dem "Faktor drei"

Um das Erlernte vom Kurz- ins Langzeitgedächtnis zu überführen, seien ständige Wiederholungen essentiell, betont sie. Der "Faktor drei" habe sich dabei am besten bewährt: "Die erste Wiederholung nach 24 Stunden, die nächste drei Tage später, danach am neunten, 27 Tag etc." Fürs Repetieren hat die Autorin des Bestsellers "Gutes Gedächtnis leicht gemacht" einen eigenen "Memo-Coach" entwickelt. Dieses Computerprogramm kann mit Textinhalten, Sound- und Bilddateien gefüttert werden und erinnert dann automatisch in bestimmten Abständen ans Wiederholen des Lernstoffes. Gewusste Inhalte wandern weiter und werden erst nach einiger Zeit wieder abgefragt. Noch nicht beherrschter Lernstoff wird in kürzeren Abständen vorgelegt. (Oliver Mark, derStandard.at, 20.1.2008)