Ein "kleiner Streithammel" für den Kanzler: BZÖ-Chef Westenthaler verschenkt im Parlament Kinderbücher.

Foto: DER STANDARD/Cremer
Pflege und kein Ende: Die Regierung nützte eine Sondersitzung, um ihre "Schwamm drüber"-Amnestie für illegale Betreuung auf Schiene zu bringen. Unter umstrittenen Umständen.

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Wien - Peter Westenthaler hat in Wikipedia nachgeschaut. "Der Schwamm zählt zur Art der Gewebelosen", doziert der Klubchef des BZÖ: "Das heißt, er hat kein Rückgrat." Überhaupt sei der Schwamm das passende "Wappentier" für die Bundesregierung: "Sie saugt sich an die Brieftaschen der Leute an."

Schwammige Debatte

Zwanzig Minuten lang stellte Schnellsprecher Westenthaler die Stenografen im Nationalrat auf eine harte Probe. Das BZÖ hatte eine Sondersitzung wegen der "sozialen Kälte" der Regierung einberufen - und damit eine Bühne für den Abtausch altbekannter Argumente eröffnet. Mit mehr oder weniger geraden Metaphern ("die politische Klimaanlage ist so kaltgestellt, dass in den Wohnungen Eiszapfen wachsen") redete Westenthaler die Koalition in Grund und Boden. Kanzler Alfred Gusenbauer, noch in Fahrt von seiner Rede an die Nation vom Vortag, konterte mit eingeübten rhetorischen Schleifen: "... auch das ist Politik mit sozialer Handschrift".

Dennoch war nicht alles nur Routine - dafür sorgte die fast vollzählig angetretene Regierungsmannschaft. Nach einer "zugegebenermaßen etwas schwierigen Diskussion" (ÖVP-Vizekanzler Wilhelm Molterer) brachten Rot und Schwarz einen Initiativantrag ein, um eine halbjährige Amnestie für illegale Betreuer und ihre Arbeitgeber zu fixieren. Kanzler Gusenbauer selbst spricht von einer "Schwamm drüber"-Aktion.

Der Kern der Regelung: Wer einen illegalen Pfleger beschäftigt, kommt straffrei davon, wenn er diesen bis 30. Juni 2008 anmeldet. Die Betreuer haben außerdem keine Sanktionen zu befürchten, wenn sie Dienste wie Füttern übernehmen, die ihnen das Gesetz eigentlich verbietet. Ende Jänner wollen SPÖ und ÖVP die Amnestie mit ihrer Zweidrittelmehrheit als Verfassungsgesetz beschließen - was nicht nur Rechtsexperten (siehe Artikel unten), sondern auch die Opposition erzürnt.

Nachdem die Regierung schon andere umstrittenen Gesetze ohne Einbindung der Opposition durchgepeitscht habe, versuche sie bei der Pflege nun, die Kontrolle des Verfassungsgerichtshofes zu umgehen, kritisiert der grüne Parteichef Alexander Van der Bellen: "Sie machen genau das Gleiche wie vorher", wandte sich Van der Bellen an die Koalition: "Die Zweidrittelmehrheit macht Sie noch gefährlicher als andere Regierungen."

Erstmals seit Wochen verteidigten SPÖ und ÖVP ihre Pflegelösung gemeinsam. "Wir wollen die Leute nicht für die Westenthaler-Vergangenheit bestrafen, sondern ihnen eine Zukunft geben", verwies Gusenbauer darauf, dass das Pflegeproblem unter der alten Regierung virulent geworden war. Bemerkenswert: Auch ÖVP-Klubobmann Wolfgang Schüssel, damals vom BZÖ gestützter Kanzler, applaudierte bei dieser Passage.

Schüssel kritisiert Strache

Kritik äußerte Schüssel in seiner Rede dann aber vor allem an Heinz-Christian Strache. "Sie haben noch zwei Monate Zeit, Geschichte zu lernen", maßregelte der ÖVP-Redner den FPÖ-Chef, der die nahende Ratifizierung des EU-Reformvertrags mit dem Anschluss Österreich an Hitler-Deutschland verglichen hatte. Strache ließ die Kritik freilich ebenso abprallen wie die vielen Vorwürfe wegen der islamfeindlichen Tiraden der FPÖ.

Mehr mit Austeilen war hingegen der orange Westenthaler beschäftigt. Dem Kanzler überreichte er ein Kinderbuch mit dem Titel "Die kleinen Streithammel". Nach kurzer Lektüre stellte Gusenbauer erleichtert fest: "Das Buch ist deutlich besser als Ihre Rede." (Gerald John/DER STANDARD, Printausgabe, 17.1.2008)