Ithal Gelin - zu Deutsch "Importbraut": Ein erster Ansatz für Fernsehen von MigrantInnen, das ihr Leben in verschiedenen Facetten zeigt. Produziert von Türkshow, einem in Köln ansässigen Sender.

Foto: Screenshot www.turkshow.tv
Auf eine Feststellung legt Mustafa Doymus wert: Bei Untersuchungen über türkische und kurdische Fernsehsender, die in Deutschland empfangen werden können, handelt es um ein vernachlässigtes Thema. „Die letzte Inhaltsanalyse wurde im Jahr 2005 erstellt“, erzählt er. Dabei müsste eigentlich ein großes Interesse an dem Thema bestehen, wundert sich der Soziologe, der im Rahmen seiner Diplomarbeit türkische Fernsehsender für türkische MigrantInnen in Deutschland untersucht hat und nun im Rahmen seiner Dissertation eine Inhaltsanalyse der populären türkischen und kurdischen Fernsehsender vornimmt.

Erstens sind MigrantInnen ein großes Publikum: Allein 2,5 Millionen Menschen türkischer Herkunft und rund 700.000 KurdInnen leben in Deutschland. Zweitens haben türkische MigrantInnen sogar die Amerikaner beim TV-Konsum überholt: „Im Jahr 2005 verbrachten sie 4,5 Stunden vor dem Fernsehapparat, die Deutschen gerade einmal 2,5“, berichtet Doymus. Schließlich und endlich betrage die potentielle Kaufkraft de MigrantInnen 18 Milliarden Euro.

Deutsche Sender als Spätzünder

Ein großes Potenzial auch für deutsche Fernsehkanäle und eigentlich Grund genug, sie nicht den Sendern der Heimat zu überlassen. Deutsche Sender entdeckten dieses Publikum erst Mitte der 90er Jahre. Vielleicht schon zu spät, denn die MigrantInnen waren – auch aus sprachlichen Gründen, wie Doymus einräumt – bereits auf das Fernsehen aus der Heimat ausgewichen. Fast 170 türkische Sender können via Satellit in Deutschland empfangen werden, 30 davon verschlüsselt. Dazu kommen acht kurdische Sender, die jedoch nicht in der Türkei, sondern in Europa und Irakisch-Kurdistan produziert werden. Die populären türkischen Sender hätten die Werbung auf das deutsche Publikum angepasst, nicht aber die Inhalte, so der Soziologe.

Heute gibt es gerade einmal drei reguläre türkische Sender, die zu hundert Prozent in Deutschland produziert werden: Türkshow, Kanal Avrupa und Yol TV. „Das ist ein historischer Prozess“, freut sich Doymus im derStandard.at-Gespräch. Der Nachteil: „Sie sind nicht sehr populär, werden also von der breiten Masse nicht gesehen.“ Aus seiner Sicht wäre es aber wichtig, Alternativen – eben auch populäre – zu bieten. Denn die türkischen Sender würden sehr türkeizentrierte Inhalte präsentieren. „Themen wie Arbeitslosigkeit oder die Probleme, die Kinder in der Schule haben, kommen dort nicht vor.“ Vor allem aber müssten die Sendungen der türkischen Gesetzgebung genügen und nicht den Grundsätzen der EU. Erstere aber sei, kritisiert Doymus, in vielerlei Hinsicht noch problematisch.

“Importbraut“ qualitativ schlecht, doch die Idee zählt

Umso mehr hält er in Deutschland produzierte Sendungen für wichtig. Ein sehr positives Beispiel sieht er in einer Sendung der in Köln stationierten Türkshow „Importbraut“. Zwar sei sie qualitativ "schlecht", denn es fehlten einfach die finanziellen Möglichkeiten. Dennoch sieht Doymus darin einen ersten Ansatz, denn dahinter stehe die Idee, das Leben von TürkInnen in Deutschland zu zeigen. „Sozusagen das Leben von Dir und mir“ in der deutsch-türkischen Community in all seiner Vielfalt: Von der tatsächlichen Importbraut und deren Problemen, persönlich wie bürokratisch (etwa, wenn sie ihren Führerschein machen will) bis hin zu den Problemen eines Vaters, der sich der Linken zugehörig fühlt, mit seiner Tochter, die sich dem Fundamentalismus zugewandt hat.

Öffentlich-rechtliche Integration

Aber auch das deutsche öffentlich-rechtliche Fernsehen wende sich dem Thema verstärkt zu. Vorreiter sei hier der WDR mit der Sendung Cosmo-TV. Diese widmet sich jeden Sonntag Themen rund um Integration und wird hauptsächlich von RedakteurInnen mit Migrationshintergrund gestaltet und auch moderiert.

Den Vorbehalt, die Produktion von Spartensendungen von und für MigrantInnnen könne dazu führen, dass man sie einmal mehr in ein Ghetto abschiebt, teilt der Soziologe nicht. „Das ist ein Vorteil für das Integrationsgefühl der Migranten“, findet Doymus. Voraussetzungen: Sie werden auf Deutsch gemacht und von MigrantInnen selbst. Dass die Beteiligung der Betroffenen selbst von Bedeutung ist, habe etwa die Sendung „Türkisch für Anfänger“ gezeigt, die deutlich an Qualität dazu gewonnen habe, nachdem das Drehbuch in die Hand eines Türken gegeben wurde.

Teil der deutschen Medienöffentlichkeit

Ziel müsse es sein, dass sie Teil der deutschen Medienöffentlichkeit werden. Doymus´ Vorstellung orientiert sich an der Struktur des deutschen öffentlich-rechtlichen Fernsehens, in dem einzelne Sendungen wie der Weltspiegel abwechselnd von den Landesstudios produziert werden. Seiner Meinung nach könne es eines Tages auch so weit gehen, dass es analog zum deutschen Fernsehen einen eigenen dritten Sender gibt, der analog zum Norddeutschen, Bayrischen oder dem Mitteldeutschen Rundfunk nicht von den regionalen Sendern, sondern von MigrantInnen produziert wird.

Insgesamt, so findet Doymus, sei Deutschland an einem historischen Wendepunkt, denn endlich würde über Integration breit diskutiert. Nichts desto trotz bleibt er skeptisch: „Alle reden von Integration, aber wenn es um die Wurst geht dann wird es schwierig“, kritisiert der Soziologe. Bekenntnisse allein aber reichen nicht, so Doymus: „Man muss auch Geld in die Hand nehmen, um positive Ansätze zu fördern. (Sonja Fercher, derStandard.at, 27.3.)