Umschlagillustration von Ottomar Starke: Franz Kafkas Erzählung "Die Verwandlung", 1916 in Leipzig beim Kurt Wolff Verlag in der Reihe "Der jüngste Tag" erschienen.

Foto: Literaturhaus

Kurt Wolff – das Porträt entstand Ende der 1930er-Jahre im französischen Exil (Sammlung Christian Wolff) – erhielt von Franz Kafka unter anderem auch diese Postkarte.

Fotos: Literaturhaus
Nach der Flucht vor den Nationalsozialisten gelang ihm in den USA ein Neustart.
* * *
Wien – "Sehr geehrter Verlag! Gleichzeitig schicke ich Ihnen express-rekommand das Manuscript der Strafkolonie mit einem Brief. Hochachtungsvoll ergeben Dr. Kafka." Eine Postkarte (siehe Faksimile) von Franz Kafka an Kurt Wolff. Wer als Verleger solche Briefe bekommt, hat den Hauptgewinn gezogen – zumindest aus heutiger Sicht. Verkauft hat Wolff, Kafkas erster Verleger, dessen Werk in bescheidenen Auflagen. Von Kafkas erstem Buch Betrachtung , das 1912 erschien, setzte er in fünf Jahren 258 Exemplare ab.

"Verleger sein ist ein schöner Beruf, ein einzigartiger Beruf", hat Kurt Wolff einmal geschrieben. "Dazu gehört der Mut, unbetretene Wege zu gehen. Dazu gehört, dass man sich nicht nur mit Verkaufsziffern und Produktionskosten befasst. Im Anfang war das Wort und nicht die Zahl, und so wünsche ich meinen jungen Berufskollegen Mut für das Künftige."

Aber auch Bestseller

Kurt Wolff war zeitweise ein wirtschaftlich erfolgreicher Verleger und achtete in seinen Programmen zumeist auf eine Balance aus Avantgarde und populäreren Titeln. Heinrich Manns Roman Der Untertan (1918) und Gustav Meyrinks Der Golem (1915) waren zu ihrer Zeit Bestseller. Während seiner Verlegerlaufbahn brachte der Sohn aus sehr wohlhabendem Bonner Haus und Studienabbrecher dennoch zwei Vermögen durch: das seiner Mutter und jenes, das seine erste Frau Elisabeth in die Ehe eingebracht hatte.

Der Mann mit den feinen Manieren, der von Zeitgenossen als ruhiges, besonnenes Gegenstück seines Kollegen Ernst Rowohlt beschrieben wurde, konnte nicht anders. Wolff konnte fraglos rechnen, in erster Linie aber war er ein Mann von literarischer Neugier und wollte die wichtigsten Bücher und Autoren in seinem Verlag versammelt sehen. Einige Jahre lang – bis zur Weltwirtschaftskrise – ist ihm das auch gelungen.

In die Literaturgeschichte eingegangen ist er als Verleger des Expressionismus. 1913 startete er im Kurt Wolff Verlag, den er im Jahr zuvor gegründet hatte, die Reihe Der jüngste Tag. Hier haben viele ihre ersten Bücher publiziert, die später Rang und Namen erreichten: Georg Trakl, Gottfried Benn, Karl Kraus, Walter Hasenclever, Kafka oder auch Franz Werfel. Letzterer arbeitete darüber hinaus auch als Lektor für den Verlag.

Verlag nur für Kraus

Legendär war Wolffs Engagement für Karl Kraus, den er über alles schätzte. "Ich [...] denke mir den Verleger [...] als Seismograph, der bemüht sein soll, Erdbeben sachlich zu registrieren", heißt es in einem Brief des Verlegers nach Wien. "Ich will Äußerungen der Zeit, die ich vernehme, soweit sie mir irgendwie wertvoll erscheinen, überhaupt gehört zu werden, notieren und für die Öffentlichkeit zur Diskussion stellen." Diese Selbstdefinition gefiel Kraus. Lange hielt ihre Beziehung trotzdem nicht, obwohl Wolff sogar einen eigenen Verlag für den Solitär gründete (Verlag der Schriften von Karl Kraus).

Die von Barbara Weidle kuratierte Ausstellung Kurt Wolff. Ein Literat und Gentleman im Literaturhaus Wien zeigt neben Dokumenten zu Wolffs Glanztaten als literarischer Verleger auch andere, weniger bekannte Facetten. Unter den 300 Exponaten finden sich Fotos, Briefe, Erstausgaben, Tondokumente, aber auch Kunstbände und Grafiken von Frans Masereel und Oskar Kokoschka.

Finanzielles Desaster

Wolff hegte eine Leidenschaft für die bildende Kunst und gründete 1924 in Florenz den Kunstverlag Pantheon. In kleinen Auflagen erschien eine Reihe sorgfältig gestalteter Bände, die zu den bedeutendsten buchkünstlerischen Zeugnissen des 20.Jahrhunderts zählen. Finanziell war die Unternehmung ein Desaster und trug dazu bei, dass der Verleger den Kurt Wolff Verlag 1930 aufgeben musste.

Damit war es jedoch nicht zu Ende. Nach jahrelanger Flucht vor den Nationalsozialisten durch halb Europa gelang es ihm 1941, zusammen mit seiner zweiten Frau Helen im New Yorker Exil den Verlag Pantheon Books zu gründen. Zunächst betrieben sie ihn von ihrer Wohnung aus und veröffentlichten europäische Literatur in zweisprachigen Editionen. Später erschienen erste Übersetzungen der Romane von Günter Grass ins Englische. 1958 gelang mit Doktor Schiwago von Boris Pasternak noch einmal ein großer Erfolg.

Kurt Wolff starb 1963 an den Folgen eines Verkehrsunfalls. Während der Buchmesse in Leipzig wurde er von einem Lkw erfasst. Seine Frau führte die Reihe Helen und Kurt Wolff Books bei Pantheon bis zu ihrem Tod 1994 weiter und verlegte etwa Umberto Ecos Der Name der Rose.

Wolff war ein Verlegertyp, wie er spätestens mit Siegfried Unseld ausgestorben ist: ein Entdecker und Förderer, der sich zeitweilig absolut für seine Autoren einsetzte. Unfehlbar war sein Urteilsvermögen indes nicht: Das dicke Manuskript eines gewissen James Joyce aus Triest lehnte er ab. Es war der Ulysses . (Sebastian Fasthuber, DER STANDARD/Printausgabe, 15.01.2008)