Ein Hirtenleben, wie es sich Jan Baptist Weenix 1654 erdacht hat: Philosophieren mit den Zeugnissen der Antike vor Augen ("Ruinenlandschaft mit Taverne").

Foto: Liechtenstein Museum

Wien - Träumen ist ja schön und gut, aber frösteln tut man trotzdem. Die Gemäldegalerie meint es diesen Winter gut mit uns. Sie offeriert, dem diesigen Grau des Himmels, der bis auf die Knochen gehenden Nässe und der Kälte zu entfliehen und diesem das vor mehr als 400 Jahren in Öl gebannte italienische Sonnenlicht entgegenzusetzen. Dem Selbstversuch machte leider die Klimaanlage einen Strich durch die Rechnung.

Böse kann man ihm trotzdem nicht sein, dem fiesen Temperaturgerät, denn andernfalls wäre es konservatorisch gesehen nicht mit reinem Gewissen vertretbar gewesen, mehr als hundert solch kostbarer Gemälde, auf PR-Deutsch "Mega-Seller des 17. Jahrhunderts", auszustellen. Werke, die die Sehnsucht der flämischen und niederländischen Künstler aus Spätrenaissance und Barock zeigen, das goldene Licht des Südens malerisch einzufangen. Erfreulich reichlich ist der hauseigene Anteil an den ausgestellten Malereien; über die Kooperation mit dem Liechtenstein Museum kamen meisterliche Bilder hinzu, eines verlieh gar der Louvre.

Böse kann man aber auch deswegen nicht sein, weil diese Träume vom Süden auch manchmal zum Lachen - nicht lächerlich! - sind und das ist mitten im Winter mindestens so gesund wie ein bisschen Sonne. Da wäre etwa Die Kindheit des Zeus vom Meister des - Vorsicht, Zungenbrecher - "italianisanten" Hirtenbildes, Nicolaes Berchem. Der sanft schlummernde Zeus als wohlgenährter Putto inmitten einer Szene, in der die Tiere - das keck Hinterteil samt Euter präsentierende Schaf, Esel, Ziege und die fette, eher nordeuropäisch einzuordnende Kuh - mehr Gewicht einnehmen. Übrigens: Den italienischen Träumereien des in Haarlem geborenen und mit Hingabe Pastoralen malenden Berchem gab sich dieser übrigens hin, ohne - vermutlich! - je gen Süden gereist zu sein.

Herde vor Hürde

Auch in anderen Bildern, so etwa in Jean Baptist Weenix' 1654 entstandener und von starken Licht-und-Schatten-Kontrasten dominierter Ruinenlandschaft mit einer Taverne, gibt es sehr drollig anzuschauende Tiere. Die Gesichter der zwei Schäfchen und zwei Ziegen scheinen fast schon in menschlichem Sinne charakterisiert.

Auch ein anderes Tierbild gibt den Kunsthistorikern, wie der umfassend bebilderte, aber vielleicht eine Spur zu kunsthistorisch abgefasste Katalog erzählt, Rätsel auf. Kein Niederländer, sondern der Lothringer Claude Lorrain malte eine in seinem penibel geführten Oeuvre-Katalog fehlende und zudem seinem Notar vermachte Herde vor einer Hürde: Ein im Moment des "Bemmerl"-Abwerfens festgehaltenes Schaf inmitten seiner Herde, ein Zaun und viel Landschaft drumherum, sonst nichts. Ein in der Tat motivisch und kompositorisch höchst ungewöhnliches Bild, grotesk und komisch.

Aber Schluss mit dem tierischen Exkurs, denn die chronologische Ausstellung gliedert sich in ganz andere, sehr stimmige Kapitel: Von der Entdeckung der antiken Welt und der Architektur Roms, wo etwa Heemskerck den Heiligen Hieronymus in die "Wildnis" eines mutierten Forum Romanum bettet, über das Malen des Lichts bis zu römischen Hinterhofbildern führt die Reise. Weiter geht's über die oltromonti, wie die sich als Malerbande (Schilders Bent) formierenden Flachländer in der Fremde genannt wurden, über Hafen- und Küstenbilder bis zu jenen Werken, die den Paradigmenwechsel um 1670 und das schwindende Interesse am lichten Italienbild dokumentieren.

Als Draufgabe eine zeitgenössische Installation zum Thema Antike von Valery Kashlyakov. Zugegeben nett, aber wenn schon zeitgenössische Intervention, dann hätte doch viel mehr interessiert, was jenen jungen, im gleichen Haus lernenden und arbeitenden Künstlern zum Traum vom Süden eingefallen wäre. (Anne Katrin Feßler / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14.1.2008)