Cover: Jüdischer Verlag
Moshe Idel, geboren 1947 in Rumänien, lehrt an der Hebräischen Universität Jerusalem und gilt als führender Forscher zur jüdischen Mystik. Seine vorliegende Untersuchung zum Themenkreis des Golem kann schon jetzt als Standardwerk bezeichnet werden, vergleichbar etwa den Arbeiten Gershom Scholems, dessen Deutung des Golems durch Sichtung und Auffindung neuer Quellen geradezu nach einer Neuinterpretation verlangt. "Die mittelalterlichen Gelehrten”, so Idel, "wünschten sich eine Erfahrung, bei der sie mehr als nur Zeugen einer einzigartig theatralischen Geste wurden. Für sie stellten sich magische Schöpfung und Erfahrung als ein Kontinuum dar, das von ihrer Vollkommenheit zeugte." Nach Idel schrecke der moderne, dem Göttlichen entfremdete Mensch vor den theologischen Implikationen seiner schöpferischen Kräfte zurück (was so sicherlich nur für den Gläubigen, nicht aber für die moderne Wissenschaft gilt). Die Schaffung eines künstlichen Anthropoiden versteht sich daher nicht in Konkurrenz zu Gott, sondern ist eine Auszeichnung des frommen Gelehrten und Ausweis seiner Nähe zu Gott. Der Autor spürt dem Diskurs über den Golem nach, beschreibt die Vielfalt der Techniken zur Erschaffung eines künstlichen Menschen im Wandel der Zeit und ihre Bedeutung im Kontext der jüdischen Überlieferung. Komplettiert wird die Studie durch die Schilderung früher Vorstellungen und magischer Praktiken in anderen Kulturen, die zur Bildung des Golem-Mythos beigetragen haben. Deutlich wird auch der prägende Einfluss der jüdischen Mystik auf das europäische Geistesleben. Die Lektüre ist von allgemeinem philosophisch-historischem Interesse und nicht nur für den wissenschaftlich geschulten Leser einen Gewinn. (Alfred Goubran, ALBUM/DER STANDARD, 11./12.01.2008)