Cover: Kein&Aber
Cover: Kein&Aber
Harry Rowohlt als "Haraldus" anzureden – darauf muss man erst mal kommen. Henry Glass tat’s und durfte es auch, war er doch mit dem Übersetzer und Rezitator befreundet. Und verbunden durch beider hingebungsvolle Liebe zur deutschen Sprache. Glass (1951–2000), Sohn einer rumänisch-deutschen Mutter und eines Nordiren und somit erwartungsgemäß in Bayern groß geworden, war 22 Jahre lang Wissenschaftsredakteur beim Spiegel , betrachtete dies allerdings als hochvergnügliche Spielwiese für Kurioses und Abseitiges. Die außergewöhnliche Sammlung sieben dort erschienener Artikel aus der ingeniösen Feder des alles Angelsächsische – Ironie, Tweed, Capes und Alkoholika aller Art – ausgiebig pflegenden Büroexzentrikers spiegelt hinreißend wider, weshalb er in Hamburg anheuerte. Denn er konnte trockene Wissenschaftserkenntnisse und Forschungen in springlebendige Sprache einkleiden. Ob er nun ausgiebig über trinkende Tiere und eine Ausnüchterungsfarm in Devon schreibt, die Erforschung fallender Butterbrote, Darmwinde oder über Waschmaschinen als dem Bermudadreieck verwandte Territorien, in denen Socken mysteriös verschwinden, oder über Studien über den Kater am Morgen danach – alles ist erschütternd komisch. Besonders liebevoll geraten ist ihm 1988 das Porträt Dublins, als Irland noch nicht der keltische Tiger war, sondern der keltische Trinker. Wieso aber Harry Rowohlt, dessen baritonales Timbre gut zur Glass’schen Prosa passt, ausgerechnet Zitate und Eigennamen derart aufheulend betont, als habe er gerade das Whiskeyglas verschüttet, bleibt ein Rätsel bei dieser Wiederentdeckung, in der der Wahnsinn der Welt zärtlich die Wörter herzt. (Alexander Kluy, ALBUM/DER STANDARD, 11./12.01.2008)