Auch Berlusconi setzte die Regierung Prodi wegen der Müllkrise unter Druck. Er beschuldigte das Kabinett, dem Land wegen seiner Unfähigkeit bei der Bewältigung der Situation enormen Imageschaden zugefügt zu haben.
Regierungschef Romano Prodi will den Müllnotstand in Neapel innerhalb von vier Monaten behoben haben. Durch Militäreinsatz, Verlagerung des Mülls in andere Regionen und die Errichtung von drei neuen Müllverbrennungsanlagen soll die Abfallmisere vorerst behoben werden. Politische Beobachter zweifeln am Gelingen der Rettungsaktion, auch wenn die Polizei zu Wochenmitte bereits Härte gegen die Demonstranten vor einer Deponie bewiesen hat.
Auch wenn die Regierung die dringendsten Umweltprobleme in Neapel inzwischen konkret angeht, so wird es schwer sein, die angeschlagene Glaubwürdigkeit Italiens zurückzugewinnen. Die Auswirkungen der Müllkrise sind noch nicht abzusehen, heißt es am Donnerstag in der Mailänder Tageszeitung Corriere della Sera. Denn das Müllproblem betrifft nicht nur Neapel, sondern den gesamten Mezzogiorno. Dort, wo ein Drittel der Italiener wohnt, gibt es insgesamt nur fünf Müllverbrennungsanlagen - gegenüber 13 entsprechenden Anlagen in der norditalienischen Lombardei.
Schlamperei
Leere Versprechungen der Regierungen und Schlamperei bei den lokalen Behörden haben dazu geführt, dass trotz der jahrelangen Überlastung der bestehenden Deponien und Wiederaufbereitungsanlagen keine Ersatzmöglichkeiten gefunden wurden. Die Mülltrennung ist seit Jahren vorgeschrieben, wurde aber in vielen Gemeinden Kampaniens nie umgesetzt. Bisher werden in und um Neapel nur zehn Prozent des Abfalls getrennt entsorgt. In Norditalien sind es 40 Prozent.
"Politik im Mezzogiorno ist seit je von Klüngel und Filz umgeben gewesen", heißt es in den italienischen Medien. Weiterer Kritikpunkt: Die Region Kampanien mit ihrer Hauptstadt Neapel ist in den Genuss von 330 Millionen Euro Fördergeldern gekommen, um neue Müllverbrennungsanlagen zu errichten. Die Gelder blieben bisher ungenutzt. Die Gefahr, dass diese Mittel wieder zurückgegeben werden müssen, ist akut.
Der Norden wehrt sich
"Die Auswirkungen auf den Fremdenverkehr werden verheerend sein", meinte ein Sprecher der Stadtverwaltung in Neapel. Der Tourismus, vor allem in und um Neapel, zählt zu den wichtigsten Einnahmen. Nun fordern die Hoteliers bereits staatliche Zuschüsse, eine Summe von 15 Millionen Euro, um den bisher erlittenen Schaden zumindest teilweise aufzufangen.