Die Wiener Stadträtin Frauenberger mit Teilnehmerinnen von "Mama lernt Deutsch" bei einem Fest.

Foto: Stadt Wien
Seit Herbst 2006 können Mütter mit anderer Erstsprache als Deutsch in Wien geförderte Deutschkurse besuchen. Dass das Integrationskonzept dieser Kurse greift und von den Migrantinnen auch gerne angenommen wird, zeigt nun eine Studie über das erste Jahr von „Mama lernt Deutsch“. Für den Sprachwissenschafter und Leiter der Evaluierung, Rudolf de Cillia, ist besonders das zielgruppenspezifische Angebot und das angstfreie Lernen für den Erfolg dieses Projekts verantwortlich. Die Studie wurde am Donnerstag in Wien präsentiert.

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„ZuwanderInnen wollen nicht Deutsch lernen“. Soweit eines der häufigsten Vorurteile gegenüber MigrantInnen. Stehsätze wie jene haben mit der Wirklichkeit nur wenig zu tun, wie das Integrationsprojekt „Mama lernt Deutsch“ (MLD) der Stadt Wien zeigt. Über 900 Mütter mit Migrationshintergrund haben innerhalb eines Schuljahres an diesen Kursen teilgenommen, wie die am Donnerstag präsentierte Evaluierung zeigt.

Für Rudolf de Cillia, den Leiter der zweibändigen und 576 Seiten umfassenden Studie, ein Beweis dafür, dass Integrationsmaßnahmen nur dann greifen, wenn man an die Menschen herangeht und ihnen ein Angebot bietet, das sie auch brauchen und das sie interessiert. Ausschlaggebend für das Projekt MLD war ihm zufolge ein geringer Selbstbehalt, Wohnortnähe sowie kostenlose Kinderbetreuung. Und, wie de Cillia betont, reine Frauengruppen: „Mütter mit Migrationshintergrund besuchen auch deswegen die Kurse, weil keine Männer daran teilnehmen.“

Kinderbetreuung

Erfreulich findet der Wissenschafter, dass mit dem Konzept auch Frauen erreicht wurden, die schon länger in Österreich leben: Drei Viertel der Mütter leben bereits über vier Jahr ein Österreich, ein Drittel ist bereits vor 1999 zugewandert. Ein weiterer Pluspunkt: 561 Kinder wurden während den Kurszeiten in Kinderbetreuungseinrichtungen behütet.

Was die Inhalte der Kurse betrifft, so geht es nicht nur ums „Deutschlernen“ sondern auch um den Kontakt zwischen den Eltern und Schulen/Kindergärten sowie zusätzliche integrative Module – wie zum Beispiel Exkursionen in Bibliotheken. Denn eines der Ziele von MLD ist es auch, „Unabhängigkeit und Selbständigkeit der Migrantinnen“ zu fördern. „MLD ist kein reiner Sprachkurs, sondern auch ein Integrationskurs. Wie die Studie zeigt, nahmen die Kursteilnehmerinnen Sprache auch als einen wesentlichen Faktor für Integration wahr“, unterstreicht der Sprachwissenschafter. Überwiegend positiv waren auch die Beurteilungen der Kursteilnehmerinnen selbst: sie sind selbstbewusster und können nun auf Deutsch interagieren, wie beispielsweise beim Arzt.

Die Rückmeldungen von SchuldirektorInnen weisen ebenfalls in diese Richtung. De Cillia: „Mütter trauen sich nun mehr zu, zum Beispiel ihre Kinder in der Schule einzuschreiben. Das war früher nicht der Fall. Und auch die Kommunikation der Mütter mit Lehrerinnen und Direktorinnen hat sich wesentlich verbessert.“

Unterrichtsräume mit Kindermöbeln

Als kritischer fallen hingegen die Rückmeldungen der Kursleiterinnen auf. Gerade was die Rahmenbedingungen anbelangt, hatten viele mit Schwierigkeiten zu kämpfen - von der Ausstattung der Unterrichtsräume mit Kindermöbeln über mangelnde Unterrichtsmaterialien bis zu fehlenden Kopiermöglichkeiten. Ein besondere Herausforderung sind laut de Cilla auch die verschiedenen Herkunftssprachen der Kursteilnehmerinnen. Die insgesamt 930 Frauen – 75 Prozent sind zwischen 26 und 35 Jahre alt – brachten über 50 Muttersprachen in die Kurse mit. An erster Stelle der Herkunftssprachen stand Türkisch (40 Prozent), gefolgt von Arabisch (16 Prozent) und den Sprachen aus dem ehemaligen Jugoslawien.

Diese Vielfalt führe zu Schwierigkeiten im Unterricht, sei jedoch auch eine Folge des Konzepts von MLD, wie de Cillia betont: „Man muss die Heterogenität in Kauf nehmen, wenn man nahe an die Frauen herankommen will. Homogene Gruppen würden längere Anfahrtszeiten mit sich bringen und das wohnortsnahe Angebot zunichte machen.“

Angstfreies Lernen

Auch dem Wunsch vieler Kursteilnehmerinnen, das Jahr mit einer Prüfung abzuschließen, steht de Cillia skeptisch gegenüber: „Das Modell MLD geht von angstfreiem Lernen aus, durch Sprachkurse soll Integration gelernt werden.“ Denkbar wären unter Umständen Ergänzungsmodule, die auf Prüfungen zur Integrationsvereinbarung vorbereiten - für diejenigen, die das wollen, wie er betont. Denn von Zwangsmaßnahmen, wie die der Integrationsvereinbarung und der damit verbunden Abschlussprüfung, hält der Sprachwissenschafter nichts. „Die Integrationskurse sind wegen des Curriculums und der Abschlussprüfung für alle gleich. Dort stehen die Prüfung im Vordergrund, der Zwang und die Sanktionen, sollte man die Prüfung nicht schaffen.“

MLD zeige im Gegensatz dazu einen Weg auf, wie Sprachförderung sinnvoll gestaltet werden könne, unterstreicht de Cillia. Selbstverständlich sei es für die ZuwanderInnen wichtig, dass sie die Staatssprache sprechen. Die Frage dabei ist jedoch das Wie. „Meint man Integration wirklich ernst, ist dieses Konzept wesentlich besser geeignet: Denn die Aufnahmegesellschaft geht auch auf die Zuwanderinnen ein, indem sie ein zielgruppenspezifisches Angebot zur Verfügung stellt“, so der Wissenschafter. (hag, derStandard.at, 10. Jänner 2008)