Der Schöpfer dieses Dufts und einer ganzen Reihe weiterer dieser Art heißt Christopher Brosius, stammt aus New York und hat ein neues Duftgenre begründet. Seine Duftkollektion heißt "I hate perfume" und der Name ist Programm: Brosius mag keine Designerdüfte. Er kreiert ausschließlich Düfte, die es im realen Leben gibt - Echtdüfte, gerochen aus seiner Perspektive. Der Duft "Winter 1972" schildert zum Beispiel eine sternklare Nacht, die Brosius einmal als Bub in einem verschneiten Wald erlebt hat. Ein anderer Duft, "Memory of Kindness", ist dem "glänzenden Aroma grüner Tomatenranken, die in der feuchten Erde eines Bauerngartens wachsen" nachempfunden. Eine Kindheitserinnerung an das Gartenbeet seiner Tante, wie der Meister in der Gebrauchsanweisung zum Parfum verrät. Überhaupt geht es dem gelernten Parfümeur bei seinen Düften immer um Erinnerung. Die will er einfangen, destillieren und, abgefüllt in Flakons, überall und immer zugänglich machen - als Emotion.
Eine sehr spezielle Erinnerung
In den USA ist die Linie "I hate perfume" schon durch alle Lifestyle-Magazine gewandert. Stars wie der Schauspieler Allan Cumming lassen sich ihre ganz persönlichen Erinnerungen von Brosius designen. Nach mehreren Einzelsitzungen riecht Cumming jetzt nach Gummi und verbranntem Holz - eine sehr spezielle Erinnerung vielleicht. Aber individueller kann ein Mensch, abgesehen vom Körperduft, nicht riechen. Wohl deshalb ist Brosius auch nicht der Einzige, der mit Echtdüften experimentiert.
In New York sitzt auch die Firma Demeter, die Brosius selbst mitaufgebaut hat, bis er sich 2004 von dem Unternehmen trennte. An die 300 verschiedene Echtdüfte sind in der "Duft-Bibliothek" von Demeter erfasst. Sorten wie Pfeifentabak, Gin Tonic, Waschküche, Leichenhalle, Reitgerte oder Regenschauer. Nicht immer will man so etwas riechen, schon gar nicht an seinem Gegenüber. Aber Sandra Krückel, Produktmanagerin des deutschsprachigen Demeter-Ablegers "Library of Fragrance", kann beruhigen: "Es wird kaum jemand erkennen, wenn ich nach Gras rieche, denn diese Möglichkeit hat die Nase einfach nicht gelernt." Solche ungewöhnlichen Aromen seien deshalb eher für den Träger bestimmt. "Solange er weiß, dass er nach seinem Lieblingsgeruch riecht, haben wir unser Ziel erreicht", meint sie.
Traum vom riechbaren Fernsehbild
Was zurzeit noch als poetische Spielerei durchgeht, wird in Zukunft ganz andere Dimensionen erreichen. Schon jetzt sind Echtdüfte auch in Österreich in immer mehr Kaufhäusern, Hotels oder Flughäfen im Einsatz. Als "Air Design", das mit Frischbrot- oder Lederduft Kaufanreize schaffen soll, wo keine sind.
Unter Hochdruck arbeitet die amerikanische Firma DigiScents derzeit am Traum vom riechbaren Fernsehbild. Wenn der Plan endlich aufgeht, soll eine Konsole namens "i-smell" den Geruch zu Bild und Ton liefern. 16.000 Echtdüfte hat der Konzern angeblich schon gespeichert. Der Durchbruch spießt sich aber an einem sensorischen Problem: Düfte kommen bei jeder Nase anders an. Nie lösen sie die gleiche Emotion aus. Was, wenn die "Landärztin", endlich beduftet, die Einschaltquoten senkt statt steigert?