Wenn sich die Frühnebelschwaden

verzogen haben, die Trockeneismaschinen endlich schweigen und Tolstois russische Adelige in ihrer authentischen Salonseide das eigene Daseinselend beseufzen können - bekommt man eine Ahnung davon, was Regisseur Robert Dornhelm mit seiner vierteiligen Krieg-und-Frieden-Verfilmung eigentlich gemeint haben könnte.

Foto:ORF/EOS Entertainment/Morris Puccio

An das "tadellose Handwerk"

hat man sich nach den ersten beiden Episoden gewöhnt. Das Russland eines vollkommen starrsinnigen "Ancien Régimes" strahlt bevorzugt métallisé-lichtblau und frühlingsgelb und wird in der Regel seitlich ("künstlich") beleuchtet.

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Natascha Rostowa (Clémence Poésy),

die ja ein eigensinniger Wildfang zu sein hat, tollt burschikos über saftige Wiesengründe - wie überhaupt die anmutige Damenriege die steifleinernen Herren in Grund und Boden spielt. Was nichts daran ändert, dass die ganze Ausstatterei vor anämischer Kälte klirrt.

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Viele hundert Romanseiten

wollen anständig bewältigt werden: Man betrachtet durch gusseiserne Schnörkel die unvermeidlichen Wagen, die vor hastig gestrichenen Klassizismus-Palais vorfahren, um wieder ein paar bezopfte Intriganten auszuspeien.

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Kommunikation ist in Napoleons

seligen Tagen - zumal in Russland - ein mühseliges Geschäft. Und es sind närrisch-krakeelende Adelsgreise mit Nachtmützen (Malcolm McDowell, hier im Bild), so groß wie Tuchentsäcke, die mit ihren Grillen die nachwachsende Jugend eifersüchtig an der Wahrnehmung des Lebensglücks hindern.

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Krieg und Frieden

ist auch der Roman einer Verabredungskrise: Die Alten tun in etwa so, als wäre kein Napoleon ("der Weltgeist zu Pferde") erschienen, um einer bröckeligen Ordnung den Garaus zu machen. Zwei Männer durchleben jeweils auf ihre Art eine monumentale Sinnkrise - der intellektuelle Philanthrop Pierre (Alexander Beyer, Bild), der in Dornhelms Inszenierung leider nur wie ein Koteletten-Beau mit Fensterglasbrillen wirkt.

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Auf der anderen Seite

verschwimmt dem Fürsten Andrej (Alessio Boni) vor lauter Unnahbarkeit der Blick: Er trägt als Kriegsheld von Austerlitz das davon, was man hundertfünfzig Jahre später ein "Kontingenzbewusstsein" genannt hätte: eine schwere psychotische Mitgift, mit der sich bereits der Romancier Stendhal (Rot und Schwarz) herumschlug. Kurz gefasst: Was ist unser aller Lebenszweck?

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Immerhin in solchen Momenten

erhält Dornhelms betuliche Inszenierung Tiefenschärfe: Nichts ist rettbar an dieser Welt, die ihre Gefühle in komplizierten Verabredungen verklausuliert, die für ihre Sinnkrisen aber auch keine (neue) Sprache zur Verfügung hat und in ihren schlimmeren Momenten erstaunlich kompatibel wirkt mit Rosamunde Pilchers TV-Landschaften. Statt ARD-Tweed also der grüne Zarenrock. Ein - zur Halbzeit noch - unentschiedenes Bild. (poh/DER STANDARD; Printausgabe, 10.1.2008)

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