Der wunderbar lakonische Kurzfilm heißt Hotel Chevalier, der US-Amerikaner Wes Anderson hat ihn inszeniert, und dass davon hier die Rede ist, hat den simplen Grund, dass er dessen neuem Langfilm The Darjeeling Limited vorausgeht. Er wirkt ein wenig wie ein Fallbeispiel für die Art, wie Anderson Figuren und ihre Welt begreift: Sie sind auf zwingende Weise in ihr Umfeld eingepasst, fast so, als wären sie selbst ein illustres Ausstattungsstück. Doch immer ist da auch ein Rest, ein Fehler, eine Lücke – und seien es nur die nackten Füße von Jack oder die Blutergüsse auf der Haut seiner Freundin.
Obsessiv, marottenhaft, neurotisch und nicht bereit, mit dem Leben voranzukommen – so kennen wir die Helden seiner Filme seit Max Fischer aus Rushmore, der die Schule nie verlassen wollte. Daran hat sich auch in The Darjeeling Limited nicht viel verändert. Francis (Owen Wilson – ein langjähriger Weggefährte Andersons), der älteste der Whitman-Brüder, hat eine Reise im titelgebenden Zug durch Indien organisiert, auf die die beiden anderen, Jack – aus dem Vorfilm – und Peter (Adrian Brody) nur ungern mitkommen.
Spirituelle Heilung
Die Idee hinter dem Tripp ist ein wenig schwammig, hat aber mit spiritueller Heilung zu tun. Der Vater der Brüder ist unlängst verstorben, die Mutter (Angelica Huston) blieb dem Begräbnis fern und lebt als Nonne in einem Kloster im Himalaya-Gebirge, die Familie ist also ähnlich wohlhabend und porös wie jene aus The Royal Tenenbaums. Hinzu kommt individuelles Leid, so laboriert Francis an einem Motorradunfall, während Jack von seiner Freundin verlassen wurde und Peter Vater wird, aber nicht weiß, ob er sich darüber freuen soll.
Anderson lässt seine drei Protagonisten also mit einigem seelischen Ballast reisen, was er mit vielen (eigens von Marc Jacobs für Louis Vuitton designten) Koffern auch vergegenständlicht. Unterwegs gehen sie dann, ganz sinnbildlich, nach und nach verloren, oder sie werden abgeworfen. Die Route von The Darjeeling Limited bleibt indes unberechenbar, die Episoden, in die der Film immer wieder ausbricht, enthalten Unwägbarkeiten.
Von albernem Souvenirshoppen über obligatorische Tempelbesuche bis hin zu intimeren Vorgängen im Zugsinneren spannt Anderson Zusammenhänge, die zwar nicht immer schlüssig wirken, aber der verqueren Logik seiner Welt gehorchen. Vor allem das Setting des Zuges kommt ihm visuell entgegen. Als würde man sich einem Filmstreifen entlang bewegen, werden die einzelnen Waggons, farblich und ausstattungstechnisch harmonisch komponiert, vor- und zurückbewegt: komische Arrangements in übervollen Kabinen, die nach und nach auch das angeschlagene Verhältnis der drei Brüder facettenreicher werden lassen. Jeder ist hier ein wenig in seiner eigenen Welt gefangen, zugleich spiegelt eine die andere – und es erfordert einige Erschütterungen, um alte Laster loszuwerden.