Die schwersten Unfälle, passieren oftmals den Besten. Nicht immer geht es so gut aus, wie bei dieser erfolgreichen Bergung aus einem Schneebrett.

Foto: Koniakowsky
Brisantes Detail des jüngsten Lawinenreports: Alle schweren Lawinenunfälle des vergangenen Jahres, mit vier oder mehr Toten, haben alpine Profis zu verantworten.

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Salzburg – Mehr als 90 registrierte Lawinenunfälle mit knapp 200 Beteiligten, 47 Verletzten und 17 Toten – so lautet in Zahlen die offizielle Lawinenunglücksbilanz der Wintersaison 2006/2007.

Diese ist vom Leiter des Lawinenwarndienstes Tirol, Rudi Mair, zusammengestellt und in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift für Risikomanagement im Bergsport, bergundsteigen, publiziert worden. Von den 17 Toten entfielen neun auf Tirol, je drei auf Vorarlberg und die Steiermark sowie je einer auf Salzburg und Oberösterreich.

Mairs zentrale Schlussfolgerung aus der aktuellen Lawinenstatistik ist für ihn eine klare Bestätigung einer langjährigen Erkenntnis der Lawinenkunde: "Auch schneearme Winter haben ihre Gefahren, und mit österreichweit 17 Lawinentoten waren nur um fünf Opfer weniger zu verzeichnen als im schneereichen Winter davor." Zum Vergleich: 2005/ 2006 gab es in Österreich 22, in der Saison davor 48 Lawinentote. Im langjährigen Schnitt kommen pro Saison 24 Menschen bei Lawinenunfällen ums Leben.

Die relativ konstante Zahl von Todesopfern und Unfällen ist für Mair letztlich ein gutes Zeichen, da "die Anzahl von Wintersportlern abseits der gesicherten Pisten rasant angestiegen ist". Dieser Trend stelle sowohl den Sicherheitsverantwortlichen der Seilbahnen, der Lawinenwarndienste und -kommissionen wie auch der Eigenverantwortung der Tourengeher und Variantenfahrer ein "gutes Zeugnis" aus.

Weit weniger Lob gibt es in Sachen Unfallvermeidung für die alpinen Profis: "Überall auf der Welt werden die schwersten Lawinenunfälle von erfahrenen und ortskundigen Profis verursacht, die sich nicht an die Spielregeln halten", stellt der Schweizer Lawinenforscher und Ahnherr der modernen Lawinentheorie, Werner Munter, in bergundsteigen fest: "Die schwersten Unfälle passieren immer den besten Leuten." Im STANDARD-Gespräch bekräftigt Mair die Ansage seines Schweizer Kollegen mit Zahlen aus Österreich: In den vergangenen 15 Jahren hätten sich sämtliche Ereignisse "mit vier oder mehr Toten" bei von Profis geführten Touren ereignet.

Mair nennt zwei Beispiele: Das Lawinenunglück am Großen Schmiedinger in Salzburg, bei dem im März 2000 elf Landesskilehrer und ein Snowboarder ums Leben kamen. Im Dezember 1999 verloren neun Menschen bei einer Skitourenwoche des Deutschen Alpenvereins in der Silvretta ihr Leben.

Dass in der vielfach als beinahe schneelos empfundenen, vergangenen Wintersaison die Zahl der Lawinenopfer im Vergleich zum "kernigen" (Mair) Winter davor nur geringfügig zurückgegangen ist, hat für den Lawinenexperten zwei konkrete Ursachen.

Prekäre Schneelage

Zum einen sei der Schneedeckenaufbau "in schnee_armen Wintern generell schlecht." Bei geringen Schneehöhen sei die Temperaturkurve zwischen dem wärmeren Boden und der kalten Außenluft steiler; genau das begünstige die Umwandlung der Schneekristalle in kantige, untereinander schlecht verbundenen Formen, erläutert Tirols oberster Lawinenwarner im Standard-Gespräch.

Die zweite Ursache liege im Verhalten des Menschen. Gerade in schneearmen Wintern würden Unerfahrene sichere Geländeformationen wie Rücken oder Kuppen meiden und in mit Schnee gefüllte Rinnen und Mulden ausweichen. In diesen sei aber eine "Lawinenauslösung wahrscheinlicher". (Thomas Neuhold, DER STANDARD - Printausgabe, 4. Jänner 2008)