Neben den Klassikern eventuell auch Unbekanntes von Hitchcock: etwa das Spätwerk "Topaz" von 1969

Foto: Filmmuseum

Wien - Das Österreichische Filmmuseum setzt die Anfang Dezember begonnene Retrospektive zum "Master of Suspense" fort und nähert sich ab 5. Jänner dem zweiten Teil seines Schaffens. Den Auftakt zu Alfred Hitchcocks Werk nach 1948 macht am Samstag "Strangers On A Train" (Der Fremde im Zug), am 4. Februar endet die Schau mit "Psycho". Unterdessen wird am 16. Jänner anlässlich des Gedenkjahres 2008 ein neuer Zyklus gestartet, der einen Schwerpunkt auf kinematografische Zeugnisse des 20. Jahrhunderts legt.

Markenzeichen

1948 war für Hitchcock ein prägendes Jahr, vollzog er doch den Schritt vom Schwarz-Weiß- zum Farbfilm und in die Unabhängigkeit. "Rope" (Cocktail für eine Leiche), sein erster selbst produzierter Film, ist eine formal experimentelle Studie über Schuld und Verbrechen, gedreht in zehnminütigen, ungeschnittenen Sequenzen. Weder "Rope" noch das Melodram "Under Capricorn" (Sklavin des Herzens) mit Ingrid Bergman wurden große Kassenerfolge, doch die künstlerische Autonomie gab Hitchcock nie wieder auf. Spätestens mit "Strangers On A Train" und "Rear Window" (Das Fenster zum Hof) wurde sein Name Markenzeichen.

"Sein obsessiver Stilwille ist der unablässige Versuch, das Dickicht 'innerer' Obsessionen zu bannen", schreibt das Filmmuseum. Hitchcocks "eindrückliche Inszenierung von Voyeurismus, Fetischismus und ödipalen Konstellationen" führe "mitten in den Maschinenraum jenes Imaginations- und Identifikationstankers, der Mitte des 20. Jahrhunderts die Weltmeere beherrschte: das klassische Erzählkino Hollywoods". Unter den Höhepunkten in Hitchcocks spätem Werk finden sich unbekanntere Filme wie "Der falsche Mann" (mit Henry Fonda) oder einstige Flops wie "Marnie", aber auch All-Time-Hits wie "To Catch A Thief" (Über den Dächern von Nizza), "The Man Who Knew Too Much" (Der Mann, der zu viel wusste), "North By Northwest" (Der unsichtbare Dritte), "Psycho" oder "The Birds" (Die Vögel). Für das Filmmuseum "herausstechend": "Vertigo" (Aus dem Reich der Toten).

Oft Unterschlagenes

Ein Aspekt, der in der Begeisterung über Hitchcock gern unterschlagen wird, ist sein TV-Schaffen: Die Serie "Alfred Hitchcock Presents" war ein Hauptgrund für seine weltumspannende Bekanntheit und zugleich ein Terrain, auf dem er ebenso große Experimentierlust und Innovationsfreude bewies wie im Kino. Teil 2 der Retrospektive enthält daher nicht nur die Kinofilme, sondern sämtliche Werke ab 1948, u.a. auch den von ihm mitgestalteten Film "Memory of the Camps" mit erschütternden Filmbildern der britischen Armee über die Befreiung des KZ Bergen-Belsen im Jahr 1945.

Dieser Film wird am 16. Jänner gleichzeitig den Auftakt zu einer Reihe von moderierten Veranstaltungen im Filmmuseum zum Gedenkjahr 2008 darstellen. Der erste Abend trägt den Titel "Erinnerung an die Lager" und zeigt das Fragment jenes Films, der unter Beratung Hitchcocks entstand, aber erst 1984 uraufgeführt worden war. Neben dem Film wird weiteres Bild- und Tonmaterial vorgeführt, das im Zuge der Befreiung von Bergen-Belsen entstand. Als Gast wird Toby Haggith, Film- und Videokurator am Imperial War Museum in London, die Hintergründe erläutern. (APA)