"Endlich mit scharf": Der Name des Magazins leitet sich aus den türkischen und serbokroatischen Bezeichnungen für "scharf", "Pfeffer" ab. Bildüberschrift zum Kanzler-Foto: "Mittlerweile liest's scho jeder"

Screenshot: dasbiber.at

Der scharfe Kern der "biber"-Redaktion: "Chefica" Ivana Cucujkic, ...., Amar Rajkovic, Emina Adamovic, Gründer Simon Kravagna (v.li.)

Foto: Benedikt Loebell
Wer Alfred Gusenbauer im Interview aufs Glatteis bringt, muss kein Profi-Journalist sein. Auch "biber", ein seit Oktober regelmäßig erscheinendes Magazin von jungen Menschen "direkt aus der multiethnischen Community" (Eigendefinition), ist das gelungen. "Beherrschen Sie die neuen Sprachen Ihres Landes?", wurde der Bundeskanzler gefragt. "Nur einige Brocken" Serbokroatisch und Türkisch würde er kennen, antwortete Gusenbauer, "Dobre den" zum Beispiel. Dass es in Wirklichkeit "Dober dan" heißt, verschweigt das Magazin seinen LeserInnen nicht, und versieht des Kanzlers Augen am nebenstehenden Porträtfoto auch noch süffisant mit einem schwarzen Augenbalken.

Wer solcherart mit höchsten Autoritäten des Österreichischen Staatsgefüges umgeht, hat ein Motiv: Rund zwanzig junge Wiener und Wienerinnen mit dem viel zitierten Migrationshintergrund ziehen das Österreichische "Mir san mir" ins Lächerliche, indem sie es sich einverleiben. Hier sprechen sie selbst, anstatt andere für sich sprechen zu lassen.

Lifestyle

Im Gegensatz zu den übrigen medialen Neuerscheinungen des letzten Jahres bewegt sich biber auf bisher unbetretenen Wegen. Die Zeitschrift sieht sich laut "Chefica vom Dienst" (biber-Sprech) Ivana Cucukic als "Lifestyle-Magazin". Da Integrationsfragen für Zugewanderte oder deren Nachwuchs kein Vorlesungsthema, sondern Lebensinhalt sind, haben kritische Gastkommentare über die falsche Toleranz der Linksintellektuellen im Magazin genauso Platz wie "Partykwatsch - Blabla zwischen Tequila und Discokugel". Seit Oktober erscheint "biber" regelmäßig - sechs in zweimonatigem Abstand erscheinende Ausgaben sind für 2008 geplant.

Außer "Kurier"-Journalist und biber-Chefredakteur Simon Kravagna hat hier kaum jemand Redaktionserfahrung. Das sei auch nicht notwendig, meint Cucujkic. Gewünscht seien Sprachkenntnisse in Serbokroatisch, Türkisch oder anderen Zuwanderersprachen in Wien, der Rest sei "vollkommen egal": "Wer sich irgendwo gut auskennt, kann auch gut drüber schreiben."

Der Innenblick ist die Marke des Magazins. Von ihm bezieht es sein Recht, frech zu sein und sich selbst jene Klischees zuzuschreiben, die abseits des Boulevards ansonsten als politisch unkorrekt gelten.

Die Community

"Andere schreiben über Integration - wir kennen uns aus", heißt es im Blatt. Was auf den ersten Blick bemerkenswert selbstbewusst klingt, wirft aber auch Fragen auf: Wer schreibt hier für wen? Präsentiert sich die Vielzahl an unterschiedlichsten Gruppierungen, die in den Medien der Einfachheit halber zu einer künstlichen "migrantischen Community" zusammengefasst wird, nun erst recht wieder als homogene Gruppe?

"Wir haben einen gemeinsamen Nenner", meint biber-Redakteurin Emina Adamovic: "Egal, woher wir kommen, wir leben alle in Wien, und wir haben eine gemeinsame Erfahrung." Cucujkic wird konkreter: "Wir werden immer mit der Identität konfrontiert. Immer diese Fragen von Dritten, die wissen wollen, woher wir kommen. Das nervt irgendwann."

Klischees für die Identität

Bei biber haben sie die Möglichkeit, sich zu revanchieren. Hier werden Klischees nicht nur wiederholt, sondern stark überzeichnet: "Warum wir so auf Marken stehen und uns dafür sicher nicht genieren", lautet der Vorspann zu einer "Exklusiv"-Story über die Eitelkeit der Balkan-Jugend. Ein Medium als Identitätsstifter. Oder, wie es biber-Schreiber Amar Rajkovic, der 1994 von Mostar nach Wien übersiedelt ist, formuliert: "Wenn du mich schon Tschusch nennst, dann zeig ich dir aber auch, was für einer."

Viel Platz wird aber auch Porträts jener Menschen gewidmet, die in Kunst, Politik oder Wirtschaft erfolgreich sind und längst einverleibt wurden. "Wenn du etwas Gutes getan hast, bist du Österreicher. Wenn du dann Mist baust, bist du schnell wieder der Bosnier", sagt Rajkovic. In den "biber"-Porträts sind sie Wiener mit nicht-deutschen Namen, die etwas zu erzählen haben.

Außer eines Gehaltszuschusses vom Wiener ArbeitnehmerInnen-Förderungsfonds WAFF finanziert sich das Blatt ausschließlich privat. Mit einem Privatsponsoring war die erste Hürde genommen, nun keilt man um Inserate. Sie kommen vom Telefonkarten-Discounter "eety" - Werbespruch: "Günstig nach Hause telefonieren" - , von der Stadt Wien und regelmäßig vom "Kurier", der über "biber"-Initiator Simon Kravagna, ein Innenpolitik-Redakteur der Tageszeitung, Verbindungen zum Magazin hat und hier seine "Jobangebote mit scharf und ganz legal!" bewirbt.

"Mit Schaas"

Die SPÖ– darf via Inserat ihre eigene Sicht der Integrationspolitik präsentieren: "Auch ich muss erst eure Sprache lernen", wird einem blauäugigen Baby in den Mund gelegt.

Dieser Appell an den Anpassungswillen läuft der Blattlinie nicht entgegen - im Gegenteil. Auf Seite 33 wird unter der Rubrik "Mit Scharf - Mit Schaas" werden hier grammatikalische Ungenauigkeiten in serbischsprachigen Party-Einladungen kritisiert: "Liebe Kollegas, wenn ihr schon nix Deutsch könnt, dann beherrscht zumindest eure Muttersprache g'scheit", heißt es da. Gleichzeitig wird mit dem Slang der Neo-Ösis kokettiert: Statt "Click here" heißt es im Internet-biber "Machst du klicki-klicki!", und unter dem Titel "Isst du diese mit so" erhalten Leser und Leserin eine Anleitung für die richtige Zusammenstellung des Balkanmenüs.

Die Planungssitzungen finden nicht im WG-Hinterzimmer statt, sondern in einem prominenten Schaufenster-Lokal in der belebten Wiener Siebensterngasse. Cucujkics Begründung der Ortswahl ist so simpel wie vielsagend: "Wir wollten uns nicht verstecken." (Maria Sterkl, derStandard.at, 7.1.2008)