Wacker: "Behörden waren sicher keine Hilfe."

Foto: terre des hommes
Die Verurteilung der Mitarbeiter der Organisation "L'Arche de Zoé" im Tschad zeigt einen rechtsfreien Raum bei Auslandsadoptionen auf.

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STANDARD: Auch in Österreich kann es Probleme mit Auslandsadoptionen geben - zuletzt im Fall eines äthiopischen Mädchens, das nicht vermittelt hätten werden dürfen, weil es keine Waise ist. Wer macht Fehler in solchen Fällen?

Wacker: Da gibt es eine Reihe von Akteuren, die genannt werden müssen. Österreich hat zwar 1999 die Haager Adoptionskonvention unterzeichnet, sie aber immer noch nicht so in die eigene Gesetzgebung umgesetzt, wie das zum Schutz der Kinder vor unfachlichen oder kriminellen Machenschaften notwendig wäre. Gerade im angesprochen Fall habe ich den Eindruck, dass sich die Vermittlungsstelle, aber auch die beteiligten Jugendbehörden nicht wirklich darüber im Klaren waren, wie eine seriöse Auslandsvermittlung aussehen sollte.

STANDARD: Im konkreten Fall sagt die Vermittlungsagentur, dass Fehler passiert seien, aber vor allem durch Behörden. Wie sehen Sie das?

Wacker: Die Behörden waren zwar sicher keine Hilfe. Die Schuld an den Vorgängen aber ist eindeutig bei FFY und seinem äthiopischen Repräsentanten zu suchen. Hätte der Verein nach Geist und Buchstaben des Haager Abkommens gehandelt, hätte er, um nur ein Beispiel zu nennen, das Tun seines Mitarbeiters in Äthiopien selbstkritisch beobachtet und wirksam kontrolliert, wäre es zu diesen auf Dokumentenfälschung und anderen Manipulationen beruhenden Adoptionsvermittlungen wohl nicht gekommen.

STANDARD: Gibt es ein Versäumnis bestimmter österreichischer Behörden?

Wacker: Ja. Ich meine die zuständige Magistratsabteilung 11 in Wien. Als sie FFY 2000 als Auslandsvermittlungsstelle zuließ, hatte sie meinem Eindruck nach nur sehr unzulänglich überprüft, ob dieser Verein den strengen Kriterien des Haager Adoptionsübereinkommens überhaupt gerecht wird. So hat es wohl nicht zufällig schon 2001 gravierende Beschwerden der österreichischen Botschaft in Hanoi über das Handeln von FFY gegeben. Konsequenzen aber hatte das, soweit ich sehe, nicht. Im Blick auf Äthiopien kann ich nicht ausschließen, dass die Zahl von Vermittlungen mit kriminellem Hintergrund größer ist, als wir bislang wissen. Es wird darum höchste Zeit, dass die zuständige Behörde - wer immer das sei - endlich eine unabhängige Expertenkommission beruft, die alle diese Vorgänge umfassend überprüft. "Parteigutachten" sind fehl am Platze.

STANDARD: Sie stehen in dieser Sache aufseiten der Adoptiveltern. Hatten sie keine Möglichkeit zu überprüfen, ob die Adoption ordentlich läuft?

Wacker: Ich stehe auf der Seite derer, die zu Opfern dieser mit den Standards des internationalen Kinderschutzes unvereinbaren fahrlässig-kriminellen Adoptionsvermittlung wurden. Das sind natürlich in je unterschiedlicher Weise zuerst die beiden Kinder, dann ihre Herkunftsfamilien, aber natürlich auch ihre Adoptiveltern. Als sie beschlossen zu adoptieren, haben sie sich, ganz im Sinne der Konvention, an eine staatlich anerkannte und kontrollierte Vermittlungsstelle gewendet. Sie durften also davon ausgehen, dass fachlich sauber und zum Wohl der betroffenen Kinder gearbeitet wird. Als sie im letzten Jahr feststellen mussten, dass sie getäuscht und betrogen worden waren, wollte das zunächst niemand glauben. Auch FFY hat das Geschehen lange verharmlost.

STANDARD: In Österreich sind Adoptionen Ländersache. Ist das ein Teil des Problems?

Wacker: Nicht grundsätzlich. Nur müssen die jeweiligen Kompetenzen klar bestimmt und die Zuständigkeiten für die Adoptionsbewerber und die beteiligten Stellen im Ausland transparent sein, auch und gerade in Fällen wie diesem. Ich habe den Eindruck, dass es in Österreich zurzeit vor allem daran mangelt.

STANDARD: Wäre ein Auslandsadoptionsgesetz die richtige Konsequenz?

Wacker: Selbstverständlich. Ein Adoptionsvermittlungsgesetz, das die Materie umfassend regelt, ist längst überfällig. Aber der Teufel steckt im Detail. Wichtig wird sein, dass die Erfahrungen mit dem vorliegenden Fall in der zukünftigen Gesetzgebung zum Tragen kommen. Das heißt vor allem: Es bedarf effektiver staatlicher Kontrollmöglichkeiten jedes einzelnen Vermittlungsprozesses von Anfang an. (Petra Stuiber, DER STANDARD - Printausgabe, 28. Dezember 2007)