10. A Hawk And A Hacksaw And The Hun Hangár Ensemble

Jeremy Barnes (Ziehharmonika und Percussion) und Heather Trost (Violine) setzten ihre Studien zur (ost)europäischen Volksmusik in Ungarn fort. Nach der Zusammenarbeit mit den rumänischen Blechbläsern "Fanfare Ciocarlia" gabelte das Duo nun in Budapest virtuose ungarische Kollegen auf, die in Jazz oder Minimal Music ebenso firm sind wie im Folk. Béla Ágoston (Ungarischer Dudelsack, Klarinette, Saxofon), Ferenc Kovács (Trompete, Violine), Zsolt Kürtösi (Bass) und Balázs Unger (Hackbrett) formierten flugs das "Hun Hangár Ensemble", um mit dem wissbegierigen Duo aus New Mexico acht, zwischen Lebenslust und Weltschmerz changierende, Instrumental-Stücke (Originale wie Traditionals) aufzunehmen. Das Material wurde dabei derart ausgewählt, dass jeder Instrumentarist sich einmal ins Schaufenster spielen darf. (Leaf/Soulseduction)

En detail: A Hawk And A Hacksaw And The Hun Hangár Ensemble als Lieblingsplatte.

Link: A Hawk And A Hacksaw

9. George Thomas And The Owls - Concert For Two Bicycles

Ein geheimnisvoller Local-Hero aus Manchester und Umgebung liefert eine britische Version des Hinterwäldler-Albums. Urbanität spielt hier schon allein aus geografischer Enge viel stärker mit hinein, als bei etwaigen US-Kollegen. George Thomas, vorgeblicher Holzfäller aus den Pennines, erhebt, aus der Wildnis herabsteigend, in seinem Lofi-Folk die Improvisation zur ersten Tugend. So stoisch wie er einer Eisenbahnbrücke beim Rosten zusieht, kann Thomas sich in kindlicher Begeisterung über die Freuden der Mehlspeis' verlieren ("Cakes, Pastries and Patisserie"). Oder er schildert in tonlosem Idiom die Abenteuer des vergeblichen Versuchs ein Sandwich zu verzehren. Begleitet wird Thomas, ein Champion der Langsamkeit mit Hang zum Fatalismus, von einer schwankend dahinflatternden Combo.

En detail: Concert For Two Bicycles als Lieblingsplatte. (Red Deer Club/Soulseduction)

8. Olivier Libaux présente - Imbécile

Der Multiinstrumentalist und Produzent Olivier Libaux (Nouvelle Vague) legte ein wunderbares, am klassischen französischen Chanson orientiertes Album vor. Die Lieder sind so kompakt wie elegant und swingen lockerleicht dahin. Instrumentiert wird mit akustischer Gitarre, Kontrabass, Piano und dem ein oder anderen Streicherlein. Imbécile ist - nicht schrecken lassen! - ein Konzeptalbum, und wird abwechslungsreich interpretiert von den französischen Popgrößen Philippe Katerine, Héléna Noguerra, JP Nataf sowie der Newcomerin Barbara Carlotti (eine Entdeckung!). Die vier geben zwei Paare, die beim Rotwein nach dem Abendessen beginnen die Hosen herunterzulassen. Man bekennt sich - entsprechend dem Albumtitel - zu seinen Schwächen, Unzulänglichkeiten und Eseleien. Die Fassade des funktionierenden Bürgers verliert ihren Putz - und das manchmal gar vergnüglich. Ein sehr französisches Sujet. (Discograph)

7. Diverse - I'm Not There

Für den Soundtrack zur filmischen Dylan-Annäherung von Todd Haynes wurde eine diverse Runde von MusikerInnen zur Interpretation der Songs des Meisters versammelt. Sowohl die Personal- als auch die Materialauswahl (Sufjan Stevens: üppig, Ramblin' Jack Elliott: knorrig, Antony & The Johnsons: nicht allzu peinlich) hat ihre Reize und sorgt für entsprechende Spannung beim Erhören des Ergebnisses. Calexico gaben gleich auf mehreren Tracks die formidable Begleitband für die Kollegen. Die Perle glänzt am Schluss: Dylans Originalversion von "I'm Not There" aus den Basement-Tapes-Sessions wird erstmals regulär veröffentlicht und lädt ein zum direkten Vergleich mit dem Cover von Sonic Youth. (Columbia)

6. Seabear - The Ghost That Carried Us Away

Heimeliger Folk-Country-Pop aus dem Norden, dargebracht von einer isländischen Supergroup um den 24-jährigen Sindri Már Sigfússon und seinen Freunden von Sigur Rós oder Benni Hemm Hemm. Das einleitende "Good Morning Scarecrow", in dem ein Seeelefant vernehmlich röhrt (nicht der einzige animalische Auftritt, euliges Schuhuhh ist mehrmals zu vernehmen), lässt in seiner Verspieltheit deutliche Anklänge an Sufjan Stevens erkennen. Vielleicht träfe cosy die Stimmungslage der Musik von Seabear am besten. Dafür zuständig: akustische Gitarre, Harmonika, Glockenspiel und eine wunderbare Fidel ("Arms", "Seashells").
(Morr Musik/Soulseduction)

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Seabear

5. Joanna Newsom & the Ys Street Band EP

Dass man von der unfassbaren Joanna Newsom alles besitzen muss, war zwar ohnehin klar. Das grandiose Herbst-Konzert im Wiener WUK, bei welcher Gelegenheit die erst 25-Jährige ihre Virtuosität in Gesang, Harfespiel, Komposition und Poesie atemberaubend demonstrierte, war da lediglich Bestätigung. Die drei Songs umfassende EP, am Ende einer US-Tour in nur drei Tagen mit kleiner Besetzung eingespielt, zeigt einmal mehr, dass Newsom auch ohne Promis wie Van Dykes Park ganz hervorragend zurechtkommt. Der neue Song "Colleen", ein lebhafter Jig samt bezauberndem Kiekser, fährt unwiderstehlich in die Beine. Eine elegische Version von "Clam, Crab, Cockle, Cowrie" (vom Album The Milk Eyed Mender), sowie eine ausführliche Neudeutung von "Cosmia" (Ys) verstömen intensive Intimität. (Drag City)

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Joanna Newsom

4. Meg Baird - Dear Companion

Was für ein Glück, dass die bereits 2005 entstandenen Solo-Aufnahmen Meg Bairds doch noch veröffentlicht wurden. Ihren Brotberuf versieht die Frau aus Philadelphia ja beim Psychofolk-Sextett "Espers". Beim ersten Durchhören besteht durchaus die Gefahr das alles als etwas langweilig abzuqualifizieren, derartig unspektakulär kommt Dear Companion daher - reduziert auf die Essenz von Megs Gesang, ihrer gezupften Akustischen und einem unendlichen traurigen Mountain-Dulcimer. Man sollte das tunlichst unterlassen, genauer lauschen, und der exquisiten Mischung aus uralten Traditionals, abseitigen Coverversionen und zwei Originalen die Aufmerksamkeit zuteil werden lassen, die ihr gebührt. Ergreifend. (Drag City)

En detail: Dear Companion als Lieblingsplatte.

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Meg Baird

3. Beirut - The Flying Club Cup

Zach Condon, das Genie aus Albuquerque/New Mexiko, ist zurück und macht diesmal auf Franzose. Incroyable! Etwas domestizierter, dafür aber auch raffinierter als das überschwängliche Debüt Gulag Orkestar, ist The Flying Club Cup wieder ein Album voller Romantik, Sehnsucht und Reminiszenzen geworden. Owen Pallett (Final Fantasy) sorgte für die Streicher-Arrangements und natürlich muss das Akkordeon eine wichtige Rolle spielen. Aber keine Sorge, blechgeblasen wird weiterhing fleißig und heißblütig. (4AD)

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Beirut

2. Alasdair Roberts - The Amber Gatherers

Für einen sehr erfreulichen Start ins Jahr 2007 garantierte das im Jänner erschienene, vierte Soloalbum des Glasgower Bleichgesichts Alasdair Roberts. Der ernsthafte Mann aus dem Netzwerk trauriger weißer Männer (Will Oldham, Jason Molina) entwirft eine altertümlich Parallelwelt, in deren Geografie die Songs ihren Platz finden. Was Wunder, dass Roberts als wichtige Referenzquelle den Reverend Robert Kirk nennt - einen Feen-Forscher aus dem Schottland des 17. Jahrhunderts. Eigentlich ein Meister der Morbidität, zeigt sich Roberts - für seine Verhältnisse - in bemerkenswert heiterer Gemütslage: dem am Boden Liegenden wird die Möglichkeit des Errappelns zugestanden ("Let Me Lie And Bleed Awhile"), der Teufel kann überlistet werden ("I Have A Charm") - kurz: Frohsinn darf zugelassen werden ("Riddle Me This"). Ein Melancholiker goes Pop! (Drag City)

En detail: The Amber Gatherers als Lieblingsplatte.

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Alasdair Roberts

1. Laura Veirs - Saltbreakers

Auch auf ihrem neuen (dem bereits sechsten) Album sprießt Laura Veirs' Kunst aus dem Humus einer fruchtbaren Symbiose mit der Natur. Die diesbezüglichen Gegebenheiten in und um Veirs' Heimatstadt Portland haben sich deutlich im Songwriting der studierten Geologin niedergeschlagen und so ist es nicht weiter verwunderlich, dass die See - ihre Unendlichkeit und Unergründlichkeit - ein besonderes Faszinosum für sie darstellt. Saltbreakers ist Veirs' bisher persönlichste Arbeit und weist einen bezaubernden Ideen- und Detailreichtum auf, elegant umgesetzt von ihrer bewährten und bestens eingespielten Band. "Looting the destroyed vessels of the sea, I wondered if the waves had taken all of me, all off me back, down to the black, down to where the worms reign, silent and green." (Nonesuch)

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Laura Veirs