Wien - Sie habe das AMIS-Provisionssystem nicht erfunden, sie habe sich auch nicht an Kundengeldern bereichert, sagte die Mitgründerin der AMIS-Vorgängergesellschaft, der AMV GmbH, Dagmar Partik-Wordian, in ihrer heute von Richterin Daniela Setz-Hummel verlesenen Zeugenaussage aus. Sie sei selbst durch Malversationen eines Maklers in Texas geschädigt worden.

Die Verlesung der Zeugenaussage von Dagmar Partik-Wordian brachte heute, Donnerstag, etwas mehr Klarheit über die Gründungsjahre des Wiener Finanzdienstleisters AMIS. Demnach wurde die AMIS-Vorgängerin AMV GmbH im Jahr 1991 von ihr und ihrem Mann, dem damaligen BAWAG-Vorstandsdirektor Gerhard Partik gemeinsam gegründet. Stiller Gesellschafter sei der Sohn des damaligen BAWAG-Generaldirektors Walter Flöttl, Wolfgang Flöttl, gewesen - einer der Hauptangeklagten im BAWAG-Prozess. Die Neugründung im Jahr 1997 sei notwendig gewesen, da die AMV aufgrund ihrer Verschuldung keine Konzession bekommen habe.

Partik-Wordian sagte aus, sie habe beruflich bei der Konsumbank begonnen und sei ab 1982 in der Länderbank in der Wertpapierabteilung in der Vermögensberatung beschäftigt gewesen. 1991 habe sie sich mit der AMV selbstständig gemacht. 1992 habe sie gemeinsam mit ihrem Gatten in Zypern ein Haus gekauft, in das sie später auch ihren Hauptwohnsitz verlegt habe. Zum Zeitpunkt ihrer Zeugenaussage gab Partik-Wordian an, keine Einkünfte zu haben, das Haus in Zypern zur Hälfte und eine Eigentumswohnung in Österreich zu besitzen und 100.000 Euro Schulden zu haben.

Nach dem Ausscheiden ihres Mannes aus der AMV GmbH mit Ende 1996 sei ihr der jetzige Angeklagte Dietmar Böhmer empfohlen worden, den sie 1997 als Mitarbeiter eingestellt habe. Ungefähr gleichzeitig sei Harald Loidl, nunmehr ebenfalls einer der Angeklagten, vorstellig geworden. Loidl habe einen Job gesucht. Er habe ein von ihm erdachtes Konzept der Vermögensverwaltung vorgestellt, das auf einem Franchisesystem basiert habe, es sollte eine Plattform für Makler geschaffen werden, verbunden mit Schulungen. Die Idee habe ihr und Böhmer gefallen, beide wollten in der Folge auch in die Geschäftsführung der GmbH. Wegen der hohen Verlustvorträge habe die AMV jedoch keine Konzession für Wertpapierdienstleistungen bekommen.

Verschuldung

Die Verschuldung sei durch die Personalkosten, laufenden Kosten und einem "Mistrade" eines Maklers entstanden. Das Grundkapital bei der AMV-Gründung habe zwölf Mio. Schilling (872.074 Euro) betragen, Wolfgang Flöttl sei mit dieser Einlage stiller Gesellschafter gewesen. Flöttl habe für seine Ross Capital im deutschen Raum Marktchancen gesehen, er habe sie über ihren Mann gekannt. Ein Teil der mit Wolfgang Flöttl vereinbarten Verschwiegenheitspflicht sei gewesen, dass sein Vater - damals BAWAG-Generaldirektor Walter Flöttl - nichts davon erfahre, damit dieser nicht in einen Gewissenskonflikt komme. "Flöttls Vater wollte keine Freunderlwirtschaft", so Partik-Wordian. Flöttl hätte für seine Kapitaleinlage eine Dividende und ein Vorverkaufsrecht bekommen, die Geschäfte liefen aber nicht mehr so gut. 1997 seien die zwölf Mio. Schilling von Flöttl weg gewesen. Eingefordert habe er das Geld nicht. "Er wusste, dass wir kein Geld hatten", so Partik-Wordian laut der verlesenen Zeugenaussage. "Flöttl hat anscheinend in amerikanischen Verhältnissen gedacht - da war das nicht so viel", so die Zeugin. Wolfgang Flöttl ist im BAWAG-Prozess einer von neun Angeklagten, für ihn gilt die Unschuldsvermutung.

Anteile verkauft

Die Gründung der AMV AG sei dann 1999 erfolgt, um keine Verlustvorträge mitnehmen zu müssen. Schon bei der ersten Aufsichtsratssitzung sei vom Vorsitzenden Michael Brand der Vorschlag gekommen, das Franchisesystem und die Makler auszugliedern. Es war davon auszugehen, dass der Kundenstock - damals 400 bis 500 Kunden - explodiert. Nach ihrer Weigerung zur Ausgliederung hätten die anderen sie los werden wollen. Sie habe ihre Anteile verkauft, an einen Käufer aus der Schweiz, um 15 Mio. Schilling. Danach sei noch ein Interessent aufgetreten, der 20 Mio. Schilling zahlen wollte. Am 20. April 2000 habe sie den Vertrag unterzeichnet und das Geschäft sei abgewickelt worden.

Flöttl habe sie nichts zurückzahlen müssen. Laut Partik-Wordian hat Flöttl also durch die AMV zwölf Mio. Schilling verloren. 1998 habe sie dann ein monatliches Fixum bekommen, aber keine Provisionsbeteiligungen.

Schlussplädoyer

Staatsanwalt Georg Krakow hat in seinem Schlussplädoyer die "Betrugsmaschinerie" beim Wertpapierdienstleister AMIS aufgezeigt. "Es wurde den Angeklagten recht leicht gemacht", kritisierte Krakow am Donnerstag auch das Umfeld, in dem der Betrug stattgefunden haben könne: Mitarbeiter, Franchisenehmer, Depotbanken, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Aufsichtsbehörden, neben der österreichischen Finanzmarktaufsicht auch die luxemburgische Aufsicht, seien hier hervorzuheben, so der Staatsanwalt.

Ein Vergleich der Soll- und Ist-Stände hätte schnell zutage gefördert, dass hier etwas nicht stimmen könne. Dass die Provisionen nicht durch Factoring finanziert wurden, hätte schon ein Blick in die Bilanzen gezeigt. Natürlich sei auch klar, dass nicht jeder immer prüfe und hinterfrage, ob Betrüger am Werk seien, räumte Krakow ein. "Genau deshalb ist es möglich, durch gutes Auftreten und flotte Sprüche vorzugaukeln, dass alles in Ordnung ist". Es habe zwar Indizien für Betrug gegeben, aber nichts sei geschehen, so der Staatsanwalt: "Man hielt die Angeklagten nicht auf".

Dass niemand je vermutet habe, dass bei AMIS ein großes Betrugssystem am Werk sei, habe auch mit der Branche zu tun: "Ähnlich wie bei dot.com-Unternehmen herrscht auch bei den Wertpapierdienstleistungsunternehmen eine Art 'Goldgräberstimmung', nach dem Motto 'wir können und dürfen alles machen'". Damit sei auch ein großes Machtgefühl verbunden, "Macht kann sehr verlockend sein", erläuterte Krakow.

"Bereicherung und Machtstreben"

All dies könne die Angeklagten aber nicht entschuldigen. Als Motiv sieht der Staatsanwalt bei ihnen die persönliche Bereicherung und Machtstreben, "ein Allmachtsgefühl, ein bisschen zumindest kleiner Gott spielen". Krakow forderte die Anleger daher auf, immer genau zu prüfen und ihren Beratern "Löcher in den Bauch" zu fragen. Auch aus generalpräventiven Gründen forderte er spürbar lange Haftstrafen für die Angeklagten. Mildernd seien deren bisherige Unbescholtenheit und die Geständnisse, verschärfend der hohe Schadensbetrag und der lange Tatzeitraum. (APA)