Alte Dokumente belegen: Unter dem Grazer Flughafen Thalerhof befinden sich noch intakte Reste der größten römischen Villa des Ostalpenraumes.

Foto: Bundesdenkmalamt/Skizze Joanneum
Graz/ Wien - Die mittelfristigen Ausbaupläne muss Flughafenchef Gerhard Widmann vorerst auf Eis legen. Eine vom Verteidigungsministerium eingesetzte Kommission überprüft in den nächsten Monaten auf dem Flughafengelände die zahlreichen Hinweise auf ein bisher völlig verdrängtes Massengrab - womöglich tausender Zivilisten aus dem Ersten Weltkrieg, die einem Kriegsverbrechen der k.u.k.-Armee zum Opfer gefallen waren. Es waren Bewohner der heutigen Ukraine (Ruthenen), denen "Russenfreundlichkeit" vorgeworfen wurde. Rund 30.000 von ihnen, auch Frauen und Kinder, wurden hierher in den Süden von Graz verschleppt und unter katastrophalen hygienischen Bedingungen interniert. Tausende starben an Seuchen.

Größte Villa des Ostalpenraumes

Laut Nachforschungen von Historikern und Militärfachleuten sollen die Toten, wie mehrmals berichtet, im militärischen, aber auch zivilen Bereich des Flughafens begraben liegen. Wie der Standard jetzt vom Bundesdenkmalamt bestätigt bekam, befindet sich unter dem Grazer Flughafen auch eine im Ostalpenraum einzigartige römische Villa. Ein interessanter Gebäudeteil - die ausgedehnten Bade- und Saunabereiche - liegen direkt unter der Rollbahn des Flughafens, sagt Bernhard Hebert im Gespräch mit dem Standard. "Bei der römerzeitlichen Villa Thalerhof handelt es sich um die größte bislang bekannte Villa des Ostalpenraumes. Ihre Längsausdehnung betrug etwa 180 Meter", erklärt der Historiker und Bundesdenkmalamt-Mitarbeiter Ingo Mirsch, der wesentlich zur Aufdeckung des Massengrabes am Thalerhof beigetragen hatte.

"Müssen alles klären"

Es sei zudem, ergänzt Hebert, eine übermäßig "luxuriöse" Villa, ganz im Stile der römischen Elite: etliche Bäder, Pools und Saunen, Repräsentations- und Bankettsäle, Empfangsräume - allesamt ausgestattet mit Fußbodenheizungen. Hebert: "Unser Anliegen ist natürlich, dass wir die noch vorhandenen Villenteile sichten und auswerten können."

Entdeckt wurde die Villa in den späten 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts bei Aushubarbeiten für den Flughafen. Die Fundstätte wurde in der Folge aber planiert - und vergessen. Erst in jüngster Zeit, durch Bodenradarmessungen der Uni Leoben, wurde offensichtlich, dass die Villenanlage noch intakt ist.

Überrascht von verdrängter Historie

Flughafenchef Gerhard Widman ist von der verdrängten Historie "seines" Flughafens völlig überrascht. Widmann: "Wir werden jetzt alles, so rasch es geht, klären und entsprechend reagieren müssen." Inwieweit die Funde langfristige Ausbaupläne behindern könnten, sei noch unklar. Er sei mit dem Bundesdenkmalamt in engem Kontakt, wie auch mit dem Verteidigungsministerium, das das Verbrechen auf dem Thalerhof jetzt, nach 100 Jahren Schweigen, endlich aufklären will. (Walter Müller/DER STANDARD, Printausgabe, 19. Dezember 2007)