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Der pensionierte Direktor des Gregor Mendel Instituts, Dieter Schweizer, wünscht sich als Nachfolger einen herausragenden Forscher, der Talente fördert und "als Magnet für junge Wissenschafter" wirkt.

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STANDARD: Wie kam es eigentlich zur Entscheidung, ein Pflanzeninstitut zu gründen?

Schweizer: Die Pflanzen sind die Primärproduzenten aller organischen Substanz sowie die Hauptkomponente der Biomasse. Damit sind sie die wichtigste Organismengruppe im Stoffkreislauf der Biosphäre. Die Sonderstellung der Pflanzen in der Natur verdient eine entsprechende Gewichtung der Forschungsförderung. Ein hochkarätiges internationales Beratergremium hat sich dafür ausgesprochen, dass die zweite Neugründung der Österreichischen Akadamie der Wissenschaften am Biocenter-Campus ein den Pflanzenwissenschaften gewidmetes Institut sein soll. Im konkreten Fall sollte diese Maßnahme auch dazu beitragen, die Berufung des renommierten Forscherehepaares Marjori und Antonius Matzke in die USA abzuwehren.

STANDARD: Der Campus bietet heute bereits ein buntes Bild ...

Schweizer: Ja, und das GMI ist darin der grüne Farbtupfer. Wir betreiben Grundlagenforschung und sind in Firmenkultur und Qualitätsanspruch voll vergleichbar mit den viel größeren Nachbarinstituten am Campus IMBA (Anm.: Institut für Molekulare Biotechnologie) und IMP (Anm.: Institut für Molekulare Pathologie). Meiner Meinung nach sollten außeruniversitäre Forschungseinrichtungen enger als bisher mit Universitäten zusammenarbeiten und sich selektiv auch in der universitären Lehre engagieren. Das ist hier am Campus mit den Max-F.-Perutz-Laboratorien bereits verwirklicht.

STANDARD: Wie haben Sie die Beiratsempfehlungen hinsichtlich der notwendigen Infrastruktur des GMI umgesetzt?

Schweizer: Das war mir ganz wichtig, dass hier am Biocenter-Campus ein eher kleines, daher fokussiertes und entsprechend ausgestattetes Pflanzeninstitut entsteht, das mit dieser einen Modellpflanze Arabidopsis arbeitet und oben drauf sitzt auf der Biomedizin. Das ist durchaus wörtlich zu verstehen. Ursprünglich sollten hier zwei Forschungsgebäude getrennt nebeneinander errichtet werden. Ich habe die beiden Einheiten in der Planung zusammengelegt. So ist das Life Sciences Zentrum Wien der ÖAW entstanden, und das GMI im Dachbereich ist jetzt gemeinsam mit IMBA, IMP-Service- und Gast-Laboratorien in einem wunderschönen offenen Gebäude (Anm.: Architekt ist Boris Podrecca). Gleich daneben, über Durchgänge zu erreichen, sind an der Nordseite die Chromosomenbiologie der Perutz-Laboratorien und auf der Südseite das IMP und die andern Perutz-Labs. Es ergibt sich - unterstützt durch die Architektur - ganz von selbst der tägliche anregende wissenschaftliche Dialog zwischen Gruppen. Alle profitieren von dieser einmaligen Konstellation.

STANDARD: Diese Standortwahl des GMI ist ungewöhnlich.

Schweizer: Ja, sehen Sie sich die üblichen Pflanzenforschungsinstitute in Europa an! Weil sie Anbauflächen und Glashäuser rundum brauchen, sind sie meist weit draußen am Land. Das führt unvermeidlich zu einer wissenschaftlichen Ghettoisierung. Wir am GMI wollen mit allen Biologen reden. Wir nützen die Vorteile unserer Modellpflanze. Sie wächst schnell und begnügt sich mit wenig Laborplatz hier mitten herinnen im dichtverbauten Campus.

STANDARD: Sind Mäuse, weil sie als Säuger doch viel näher am Menschen sind wie Pflanzen, nicht das bessere System?

Schweizer: Bei bestimmten biomedizinischen Fragestellungen hat man kaum eine andere Wahl. Aber wichtigste grundlegende Entdeckungen wurden und werden immer wieder zuerst bei den Pflanzen gemacht. Begonnen bei den Mendel'schen Vererbungsgesetzen, über die "springenden Gene" und schließlich bis zur aufregendsten Entdeckung der jüngeren Zeit, die RNA-Interferenz, die vergangenes Jahr mit dem Nobelpreis geehrt wurde. Dieser neuartige epigenetische Regelmechanismus wurde von GMI-Forschern zuerst bei Pflanzen entdeckt.

STANDARD: Wien als Hauptstadt der Epigenetik?

Schweizer: Ja, das wird auch international so gesehen. Die Epigenetikforschung ist ein sehr erfolgreicher Schwerpunkt am GMI und am gesamten Campus. Dazu gibt es eine Ringvorlesung, die von Gruppenleitern aus allen Instituten gehalten wird.

STANDARD: Sie feiern im kommenden Jahr Ihren Siebziger und sind aus Altersgründen kürzlich als Direktor zurückgetreten. Ist es schwierig, einen neuen wissenschaftlichen Direktor zu holen?

Schweizer: Das ist jedenfalls nicht einfach. Gesucht wird eine herausragende Persönlichkeit, die selbstverständlich aus der Scientific Community der Botaniker kommt, denn nur dann verfügt sie über die notwendigen internationalen Kontakte und die Forschungskompetenz, die für die Leitung eines Pflanzenforschungsinstituts absolut erforderlich sind.

STANDARD: Welche Art von Direktor wünschen Sie sich?

Schweizer: Der Direktor sollte in erster Linie ein herausragender Forscher sein. Weil er motiviert, Talente fördert und durch seine wissenschaftliche Attraktivität wieder selbst als Magnet für gute Leute wirkt. Die Suche geht also nach einer Person, die ein hohes wissenschaftliches Ansehen hat und Charisma.

STANDARD: Sie selbst betreuen noch ihre Arbeitsgruppe, was gibt es denn hier für Ziele, die Sie noch erreichen wollen?

Schweizer: Ich bin leidenschaftlicher Chromosomenforscher und kehre jetzt an den Labortisch und an das Mikroskop zurück. Ich kann ein aktuelles Forschungsprojekt weiterführen. Es wäre schön, wenn bis Anfang 2009 zwei gute Publikationen herausschauen. Das wäre mein Ziel. Und ich denke, wir sind auf einem guten Weg. (Bert Ehgartner/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19. 12. 2007)