Banská Bystrica bewirbt sich für den Titel der Europäischen Kulturhauptstadt 2013.

Foto: Slowakei Tourismus

Anfang des Monats wurde die A6 nach Bratislava fertiggestellt. Mit dieser "Spange Kittsee" könnten wir uns an weit mehr klammern als an zwei Stangen Tschick, Brimsen und Autospengler vom Nachbarn. Vor allem im Landesinneren liegen nun leichter zu hebende, kulturhistorische Schätze, allen voran Banská Bystrica.

Was sich für manche anhören mag wie eine Biermarke, heißt auf Deutsch Neusohl und ist eigentlich Universitätsstadt – eingebettet zwischen Slowakischem Erzgebirge, Niederer Tatra und Goßer Fatra, mitten in der Slowakei gelegen. Kaum zu glauben, dass sich ganz in der Nähe Skigebiete wie Spania Dolina befinden, die von Slowaken gern als Alternative zu den überrannten Zentren in der Hohen Tatra genutzt werden.

Attraktiv wie die BB

Banská Bystrica oder BB, wie die vier Autostunden von Wien entfernte attraktive Stadt auf den Kfz-Nummernschildern heißt, hat allerdings auch ein Opernhaus, die Státna opera, Staatsoper eben. Edita Gruberová feierte hier erste große Erfolge, bevor sie an der Staatsoper in Wien Fuß fasste. Museen, Jazzkeller, Galerien und eine bemerkenswert freie Theaterszene findet man hier – das kulturelle Angebot der Stadt ist zwar nicht überbordend, aber vielfältig.

Die moderne Architektur spiegelt die zeitgeschichtliche Bedeutung von Banská Bystrica wider: Das Denkmal des Slowakischen Nationalaufstandes, in den 60er-Jahren erbaut von Dusan Kuzma, beherbergt ein Museum und erinnert an die Tage, als die Slowakische Armee im August 1944 gemeinsam mit Partisanenverbänden den Aufstand gegen das nazitreue Tiso-Regime probte. Nach der Niederschlagung gingen Tisos Verbände mit äußerster Brutalität gegen die Gefangenen vor, insgesamt waren an die 20.000 Opfer zu beklagen. Die blutige Rache an der deutschsprachigen Bevölkerung nach dem Krieg folgte freilich umgehend. Die Ereignisse wurden in den Jahren des Kommunismus zunächst totgeschwiegen, werden heute jedoch wieder vermehrt diskutiert.

Im Mittelalter florierte die Stadt durch den Bergbau: Gold wurde abgebaut, zudem auch Silber, Blei, Quecksilber und vor allem Kupfer, wobei die Minenchefs großteils zur deutschsprachigen Schicht zählten. Die Erze brachten der einstigen Keltensiedlung jedenfalls großen Reichtum und Einfluss. Ein derartiger Aufschwung geht an der Stadtentwicklung nie spurlos vorüber, und so liegen auf dem langgezogenen Námestie SNP, dem Platz des Slowakischen Nationalaufstandes, die Sehenswürdigkeiten Tür an Tür.

Das Benicky-Haus etwa mit seinen Fresken und der Arkadenloggia, das Thurzo-Haus, ein reichlich verziertes, ursprünglich gotisches Bauwerk, obendrein als Mittelslowakisches Museum in Amt und Würden, die Kirche des Heiligen Franz Xaver und am oberen Ende der leicht in Schieflage geratene Uhrturm – etwa ein halber Meter Abweichung lässt sich von einiger Entfernung gut ausmachen.

Stadt, Land, Burg

Hinter dem Platz, der Stefan Moyses gewidmet wurde, ehemals wichtigster Bischof in der ungarischen Zeit – heute wird er als Begründer der slowakischen Nation angesehen -, erstreckt sich die Stadtburg. Sie beherbergt die Kirche der Jungfrau Maria sowie die Stadtgalerie im Rathaus, das Matthias-Haus, die Slowakische Kirche und eine mächtige Barbakane, wobei hier sogar noch Teile der alten Stadtmauer zu sehen sind.

Als Tor zur Stadt fungierte im Mittelalter das Haus Nummer 25 in der Oberen Silberstraße, das heute das "divadlo z pasaze" beherbergt. Viera Dubacová hat dieses "Theater in der Passage" 1995 gegründet, um geistig behinderten Menschen eine Therapieform gewährleisten zu können, mit der sie nicht abgeschirmt von der übrigen Bevölkerung ihr Dasein bloß so angenehm wie möglich gestalten – ihr geht es eindeutig um mehr. "Die Leute lernen hier selbstständig den Alltag zu bewältigen, können Englischkurse besuchen, nehmen an Gesangsstunden und Tanzkursen teil, verdienen ganz offiziell als angemeldete Schauspieler ihr eigenes Geld und erarbeiten die Theaterstücke gemeinsam. In den Stücken öffnen sie ihre Welt für das Publikum", erklärt Dubacová ihr Konzept.

Unterstützt wird die schrille Kompanie sowohl vom slowakischen Kultur- als auch vom Gesundheitsministerium. So bringt es die Regisseurin, Therapiehaus-Leiterin und auch streitbare Politikerin zustande, dass die Produktionen ihres Hauses bereits internationales Aufsehen erregten. Nach Wien hat es das Ensemble nämlich schon vor der Fertigstellung der "verbindlichen" Spange Kittsee zum Festival "Theaterkarussell" geschafft – und nahm damals wohl auch noch gerne fünf Stunden für die Anfahrt in Kauf. (Armin Baumgartner/DER STANDARD/Printausgabe/15./16.12.2007)