Wäre unter neuem Asylgerichtshof-Regime wohl nicht mehr im Land: Karina Toptschu, daheim in Moldawien Opfer von Frauenhandel

Foto: STANDARD/ Robert Newald
Nur eine VwGH-Beschwerde verhinderte vorerst ihre Abschiebung - Von Irene Brickner

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"Nach Hause, nach Moldawien", sagt Karina Toptschu, "kann ich nicht wieder zurück." Das hänge mit der Enge der Verhältnisse zusammen, mit der Armut und den Verfilzungen zwischen Polizei und mafiösen Kreisen, erklärt die 28-Jährige: "Der Mann, dem ich Geld schulde, lebt in meiner Straße. Er würde mich wieder an das Geld erinnern. Ich könnte es ihm auch jetzt nicht geben."

Der Mann aus Karina Toptschus Straße hatte die junge Frau vor sechs Jahren in sein Haus eingeladen. Er ließ sie nicht mehr weg. Zwei Wochen später war ihr sonnenklar, dass sie seinen Anordnungen zu folgen habe: "Er hat mich in ein Auto einsteigen lassen. Wir waren fünf Frauen. Wo wir hinfuhren, wussten wir nicht."

Asylantrag abgelehnt

Wie es weiterging, hat Toptschu mehrmals den österreichischen Asylbehörden erzählt: Dass es ihr gelang, den Frauenhändlern bei einem Zwischenstopp zu entkommen. Dass das an der grünen Grenze zu Österreich war. Dass sie von einem Autofahrer ins Flüchtlingslager Traiskirchen gefahren wurde. Dass sie dort um internationalen Schutz ansuchte. Leider vergebens: "Der Asylantrag wurde in zwei Instanzen abgelehnt", fasst Katrin Hulla, Juristin im Caritas-Beratungszentrum für Flüchtlinge, den Behördenlauf zusammen.

Im Februar 2007 dann stand Toptschu unmittelbar vor der Abschiebung. Alle Rechtsmittel waren ausgeschöpft - außer einer Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof (VwGH). "Wir brachten Berichte der International Organisation for Migration (IOM) vor, die den Handel mit Frauen im Moldawien als eigenen Wirtschaftszweig bezeichnet", schildert Hulla. Ende März kam für die junge Frau das vorübergehende Aufatmen: Der VwGH gewährte bis zur Entscheidung die Aufschiebung der Zwangsausreise.

Soziale Verfolgung

Überhaupt habe sich das Höchstgericht, das am Mittwoch asylrechtlich gestutzt worden ist, in den vergangenen Jahren im "Ernstnehmen von Verfolgung aus sozialen Gründen" hervorgetan, sagt die Wiener Anwältin Nadja Lorenz. Zwangsprostitution falle unter diese Kategorie. Jetzt sei abzuwarten, wie das der Unabhängige Bundesasylsenat in Zukunft bei seinen Grundsatzentscheidungen halten werde, die nur der Innenminister beantragen kann.

Auf alle Fälle befände sich Toptschu unter dem neuen Asylregime wohl nicht mehr in Österreich. Ebenso der 34-jährigen Kameruner Ex-Profifußballer Hamsa Anan (Name geändert), der im August 2007, siebeneinhalb Jahre nach seinem Asylantrag und Ablehnungen in beiden Instanzen, in Folge eines VwGH-Erkenntnisses doch noch Asyl bekam.

Das Höchstgericht hatte den beigefügten Kamerun-Länderbericht anders gewürdigt als der Unabhängige Bundesasylsenat: Dem früheren Oppositionellen drohe im Herkunftsstaat Verfolgung - der Ubas hätte dieses Risiko in Kauf genommen. So wie auch bei der Irakerin Sanjeh Sharifi (Name geändert), die sieben Jahre nach ihrem Asylantrag ausgewiesen werden sollte. Auch bei Langzeitintegrierten wie ihr war die VwGH-Beschwerde laut Beratern oft ein letzter rechtlicher Ausweg.(Irene Brickner/DER STANDARD Printausgabe DER STANDARD Printausgabe 6.12.2007)