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Sein Land der Muse ist Italien. Dort verbringt Guy Verhofstadt seit vielen Jahren den Urlaub. Damit verbindet der leutselige belgische Liberale auch seinen privaten Lebenstraum: Wenn er mit der Politik einmal abschließen könne, so erzählte der 54-Jährige einmal, dann werde er in seinem Haus in der Toskana leben und lesen, und seinen eigenen Wein machen, im hellen Licht das Dasein genießen, Freunde empfangen. Damit wird der Noch-Premierminister jetzt ein bisschen länger warten müssen. Er hat in der düsteren, nieseligen Heimat an der Nordsee noch Außerordentliches zu tun.

Seit 178 Tagen wartet das von mentaler Spaltung zwischen niederländisch sprechenden Flamen und der französischsprachigen Wallonie im Süden geplagte Gastgeberland der EU auf eine neue Regierung. Im Juni war Verhofstadt nach acht Jahren - in Koalitionen mit Grünen und Sozialisten - abgewählt worden. Seine flämischen Liberalen erlitten die schlimmste Abfuhr.

Gewonnen hat der flämische Christdemokrat Yves Leterme. Aber Verhofstadt darf nicht gehen. Leterme ist gleich zum zweiten Mal an der Regierungsbildung gescheitert, musste gedemütigt zu König Albert gehen, dessen Auftrag zurücklegen. Der König zog die Reißleine: Zwar berief er kein formelles "Notkabinett", aber er bat Verhofstadt, "Wege zu suchen, um den politischen Stillstand zu überwinden". Das kommt im Königreich, dessen Bürger mit großer Mehrheit zur Monarchie stehen, dem höchsten Ritterschlag gleich.

"Er ist zurück", jubelten die Zeitungen. Er, der "Pfeiler des Staates", sei der einzige, der die Krise beenden könne. Seine Sympathiewerte steigen. Für den gelernten Anwalt dürfte das eine Riesengenugtuung sein. Anders als Leterme ließ Verhofstadt sich im Wahlkampf nicht dazu hinreißen, den Rechtsextremen auf den Leim zu gehen, Nationalismus und Abspaltungsgelüste der Flamen auch noch anzufeuern. Er hielt aktiv dagegen.

Jetzt steht er als Staatsmann da. "Da Joenk", der "Junge", wie er wegen seines lockeren Auftretens genannt wird, war ein politischer Wunderknabe. Mit 29 Parteichef und drei Jahre später Vizepremier, galt er als forscher Reformer, der den rot-schwarzen Koalitionsfilz aufbrechen wollte. Die Stunde schlug ihm 1999, als er nach gewonnener Wahl im "Regenbogenbündnis" mit Grünen und Sozialisten begann, das Land umzupflügen. Das desolate Budget wurde saniert, Belgien in den Euro-Raum geführt, liberale Gesetze zu Familie, zu Schwulen, zu Sterbehilfe gemacht. Nach der Wiederwahl 2003 rieb er sich dann im Regionenkonflikt auf.

Bleibt Europa: 2004 wäre er beinahe Kommissionspräsident geworden, hätten die Konservativen ihn nicht blockiert. Nicht unmöglich, dass er 2009 zum ersten EU-Ratspräsidenten gewählt wird.

Verhofstadt ist verheiratet und hat zwei Kinder. (Thomas Mayer/DER STANDARD, Printausgabe, 6.12.2007)