LIF-Abgeordneter Alexander Zach will "raus aus der Kammer". Dafür hat er eine gleichnamige Initiative gegründet.

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"Es lebe das Hohe Haus". Mit diesen Worten schloss VP-Klubobmann Wolfgang Schüssel seine Rede im Nationalrat, in der er über die geplanten Verfassungsänderungen philosophierte. Mit seiner Lobeshymne stößt er zwar bei ÖVP und SPÖ auf offene Ohren, sonst hagelt es aber Kritik von allen Seiten. Nicht nur die Opposition, sondern auch Juristen und Politikexperten stoßen sich sowohl an der Schnelligkeit und Unübersichtlichkeit der Reformen als auch am Inhalt.

Sensibles auf der Überholspur

81 teilweise riesige Materien sollen in drei Tagen abgehandelt werden, darunter extrem sensible Themen, die an die Grundfesten des Rechtsstaates rühren. Vor allem die Einführung des Asylgerichtshofes und die verfassungsrechtliche Verankerung der Kammer-Pflichtmitgliedschaft sorgen für Diskussionen.

Die Bundesverfassung werde "mit Füßen getreten", so etwa die Dritte Nationalratspräsidentin Eva Glawischnig und sinngemäß auch Verfassungsjurist Mayer. Nicht nur inhaltlich sei die Richtung falsch, auch die Entstehung der Gesetze sei fragwürdig. Entwürfe würden teilweise erst eine Stunde vor Beginn des Verfassungsausschusses ohne Begutachtung überfallsartig eingebracht, kritisiert Glawischnig. Wasser auf die Mühlen der Kritiker war unter anderem die Aussage der Justizministerin, sie habe den Entwurf zum Asylgerichtshof nicht genau lesen können, weil der Zeitdruck so groß war.

Versteckte "Schmankerl"

Eigentlich sollte ja nur die Verfassung bereinigt werden - von veralteten, nutzlosen Bestimmungen befreit, wie es der Verfassungskonvent geplant hatte. Im Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz sind darüber hinaus aber auch diverse, rechtsstaatlich bedeutsame "Schmankerl" enthalten - etwa die Neurregelung der Kammern. In Paragraph 120a versteckt sich die Bestimmung, die künftig die "Zwangsmitgliedschaft" in einigen Kammern verfassungsrechtlich festlegen soll – Änderungen daran wären dann nur mehr mit Zwei-Drittel Mehrheit möglich. Schon der Entwurf provozierte eine Vielzahl von negativen Stellungnahmen – nicht nur von oppositioneller Seite.

Selbst pragmatisiert

Die Reaktionen auf diese Absicht nahmen drei Formen an:

Erstens: Die Kammern, die natürlich von der Änderung profitieren, zeigten sich vorsichtig optimistisch bis gleichgültig. De facto ändere sich ja nichts, so etwa Wirtschaftskammer-Präsident Leitl zur "Presse".

Zweitens: Experten und Juristen sowie die Opposition kritisierten den Kammer-Zwang, vor allem auch weil aktuell die Bundesverfassung ja eigentlich entrümpelt und nicht erweitert werden sollte. "Die Große Koalition pragmatisiert sich selbst in der Verfassung", so etwa BZÖ-Chef Westenthaler. Auch die Industriellenvereinigung sieht "keine Notwendigkeit für eine verfassungsgemäße Verankerung". "Das Hauptproblem sehe ich in der Einschränkung der persönlichen Freiheit", so der liberale Abgeordnete Alexander Zach zu derStandard.at. "Die Zwangsmitgliedschaft in den Kammern widerspricht der UN-Charta". In der SPÖ findet Zach keine Unterstützung, er beruft sich aber auf namhafte Wirtschaftstreibende, die auf seiner Seite seien.

Ein Stück vom Kuchen

Schließlich gibt es auch noch Kritiker, die gerne ihr Stück vom Kuchen haben wollen: Diejenigen Interessensvertretungen nämlich, die nicht vom Paragraf 120a erfasst werden. So würden "zwei Klassen von Interessensvertretungen mit Zwangsmitgliedschaft geschaffen, nämlich verfassungsgesetzlich abgesicherte und andere Einrichtungen, ohne überzeugende sachliche Gründe dafür angeben zu können", beklagt etwa das Land Niederösterreich in seiner Stellungnahme. Diese Vorgangsweise sollte daher überdacht werden. Es liege etwa bereits "ein derartiges Ersuchen der NÖ Landarbeiterkammer" vor.

In Stein gemeißelt

Der künftige Verfassungsartikel 120a sieht nämlich eine verfassungsgesetzliche Garantie nur für die klassischen großen drei Bereiche der beruflichen Interessenvertretung vorgesehen, so der Gesetzesentwurf: "Zur Sicherung der Vertretung der Interessen der gewerblichen Wirtschaft, der Arbeitnehmer und der Land- und Forstwirtschaft sind durch Gesetz Selbstverwaltungskörper einzurichten." In der Praxis bedeutet das, dass "obligatorische Mitgliedschaft als Strukturelement" der 14 betroffenen Kammern festgeschrieben wird, wie es in den Erläuterungen zum Gesetzesentwurf heißt.

Die Pflichtmitgliedschaft ist damit, an österreichischen Verhältnissen gemessen, in Stein gemeißelt. Haben doch ÖVP und SPÖ - die zwei Parteien, die die Interessensvertretungen maßgeblich personell bestücken - eine unantastbar stabile Zweidrittelmehrheit. Eine Abschaffung ist damit mehr als unwahrscheinlich. (Anita Zielina, Birgit Wittstock, derStandard.at, 5.12.2007)