Unter der ÖVP wurde die Erinnerung an Dollfuß hochgehalten, unter der SPÖ wurde das Bild abgenommen. Übrig bleibt eine Kerze.

Fotos: Standard/Cremer
Wien - SP-Bundesgeschäftsführer Josef Kalina hat am Samstag die ÖVP zur Aufarbeitung ihrer Geschichte aufgefordert. Das Gedenkjahr 2008, in dem sich der Einmarsch der Hitler-Truppen zum 70. Mal jährt, wäre eine gute Gelegenheit für die ÖVP, ihre Vergangenheit zu durchleuchten. Die ÖVP sollte endlich auch die Beiträge eigener Politiker zum Untergang der Demokratie und Errichtung eines faschistischen Ständestaats in Österreich und in weiterer Folge deren Verstrickung ins nationalsozialistische Terror- und Vernichtungssystem offenlegen, sagte Kalina bei der Bundeskonferenz des Bunds Sozialdemokratischer Freiheitskämpfer.

"Pionierarbeit" der SPÖ

Kalina erinnerte daran, dass die SPÖ ihre braunen Flecken aufgearbeitet habe. Damit habe die SPÖ "Pionierarbeit geleistet" und mit der Durchleuchtung ihrer Parteivergangenheit einen wichtigen Beitrag zum gelebten Antifaschismus geleistet, denn "es geht, will man glaubwürdig bleiben, um Hinschauen und nicht Wegschauen, um Wahrheitsfindung und um das Aufarbeiten der Ergebnisse".

Dollfuß noch immer "als Idol gehätschelt"

Auch die ÖVP hätte allen Grund, ihre Vergangenheit aufzuarbeiten, richtete Kalina dem Koalitionspartner aus. Noch immer werde der "Beseitiger der österreichischen Demokratie" und frühere ÖVP-Bundeskanzler Engelbert Dollfuß von manchen ÖVP-Granden "als Idol gehätschelt". Überdies hänge das Porträt von Dollfuß noch immer in den parlamentarischen Klubräumlichkeiten der ÖVP.´

Ebenfalls hinterfragenswert ist für Kalina die Rolle des ehemaligen Staatsvertragskanzlers Julius Raab. So habe Raab als Chef der niederösterreichischen Heimwehren in der Zwischenkriegszeit den Korneuburger Eid mitgetragen, in dem sich die Heimwehren zur Abschaffung der Demokratie, Bekämpfung der Sozialdemokratie und zur Errichtung eines faschistischen Ständestaates bekannt hätten. "Es lastet eine große Verantwortung auf VP-Vorsitzendem Wilhelm Molterer", befand Kalina.

Khol weist Kalina-Forderung zurück

Der Präsident des VP-Seniorenbundes und frühere Nationalratspräsident Andreas Khol hat die Aufforderung von Josef Kalina zurückgewiesen. Die Äußerungen Kalinas seien ein "falsches Signal". Mit Friedrich Schiller wolle er Kalina entgegen rufen: "Oh Freunde, nicht diese Töne", sagte Khol. Er richtete einen "Aufruf an alle guten Willens, den politischen Frieden im Land nicht zu gefährden".

"Ich bitte die Parteivorsitzenden und Regierungsspitzen inständig, diesem Treiben Einhalt zu gebieten, und die notwendigen Vorkehrungen von Parlament und Regierung zu veranlassen, das Gedenkjahr 2008 zu einem neuen Bedenkjahr zu gestalten. Der innere Friede ist ein kostbares Gut. Wenn es möglich war im Jahre 2004, als sich ÖVP und SPÖ in Regierung und heftiger Opposition gegenüberstanden, eine Brücke zu bauen, so sollte dies doch heute, in der Großen Koalition umso leichter fallen", sagte Khol in einer Aussendung.

Faschismuskeule und Marxismuskeule

"Das Jahr 2008 muss wieder zu einem Bedenkjahr gestaltet werden. Die Geschichte unserer Republik soll gemeinsam zwischen den großen Kräften des Landes in einer Weise aufgearbeitet werden, dass Brücken gebaut, nicht Gräben neu aufgerissen werden. Faschismuskeule und Marxismuskeule sollen, bitte, im Schrank fest wegsperrt bleiben. Der politische Friede im Lande ist ein kostbares Gut, es soll nicht durch tagespolitisches Geplänkel kleiner Geister gefährdet werden", erklärte Khol.

Missethon nennt Kalina "Brandstifter"

Heftig hat indessen VP-Generalsekretär Hannes Missethon auf die Aufforderung von Kalina reagiert. "Kalina ist ein Brandstifter und zudem ist er völlig ahnungslos. Wie lange kann sich SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer einen solchen Generalsekretär leisten, der ausnahmslos das Trennende in den Vordergrund stellt", sagte Missethon in einer Aussendung.

"Die ÖVP ist im Konzentrationslager entstanden. Gründungsvater Leopold Figl wurde vom NS-Regime verfolgt und war einer der vordersten Kämpfer gegen die gräuelhafte NS-Herrschaft", so Missethon. Die Väter des Staatsvertrages Julius Raab und Figl derart zu beschmutzen wie Kalina dies tue, "ist eine Beleidigung jener Generation, die unser Land nach dem Schrecken des Zweiten Weltkrieges wieder aufgebaut haben und eine Beschmutzung unseres ganzen Landes", zeigte sich der ÖVP-Generalsekretär empört. "Wir wollen einen gemeinsamen Weg gehen und keinen trennenden. Wir wollen nach dem Vorbild Heinz Fischers und Andreas Khols der Geschichte gedenken." (APA)