"Ich unterstütze einen Vorschlag, der auf drei gleichberechtigte, souveräne Teile einer starken Föderation Bosnien-Herzegowina abzielt."

Foto: honsig/derStandard.at

"Was die Menschen aber brauchen, ist eine Politik, die nicht von Karadzic, Milosevic oder eben auch Dodik geprägt ist."

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Als "Pionier der Demokratierung" in Bosnien-Herzegowina will der unabhängige Kandidat Dragan Djokanovic in die Präsidentschaftswahlen in der bosnischen Teilrepublik Republika Srpska gehen. Er sieht sich als einzige Alternative für die Wähler, die die "einen starken Präsidenten und keine Marionette" haben möchten. Die Chancen des ehemaligen Ministers in der Regierung Karadzic auf das Amt des Präsidenten stehen allerdings nicht gut.

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derStandard.at: Sie kandidieren für das Präsidentschaftsamt in der Republika Srpska, nachdem Milan Jelic im September verstorben ist. Sie treten als unabhängiger Kandidat an, warum soll Sie jemand wählen?

Djokanovic: Weil man sich an mich als integren Politiker erinnert, und weil ich einer der Gründer der Republika Srpska bin und für alle drei Nationalitäten einstehe. Ich habe damals, als ich im Jahr 1993 Minister für Kriegsveteranen wurde, versucht, die verantwortlichen Personen darauf aufmerksam zu machen, dass sie in die falsche Richtung gehen, ihrem Untergang entgegen. Ich habe sie davor gewarnt, dass dieser Weg vor dem Gericht enden wird, sie sich als Kriegsverbrecher schuldig machen. Leider vergeblich. Ich musste zurücktreten.

derStandard.at: Wieso haben Sie diese Aufgabe überhaupt übernommen? War das nicht im Jahr 1993 schon abzusehen?

Djokanovic: Weil ich, zugegebenermaßen naiv, gedacht habe, dass ich etwas verhindern kann. Aber ich hatte nicht die notwendige Kraft dazu. Jetzt allerdings möchte ich nocheinmal versuchen, einen Wandel herbeizuführen. Zwar nützte bisher der Präsident in der Praxis seine Kompetenzen nicht aus, das ist aber lange überfällig. Diese Regierung gehört ausgetauscht, sonst wird sie mit ihren Aspaltungssehnsüchten das Land nach unten ziehen. Der Weg nach Europa steht für die Republika Srpska nämlich nur innerhalb Bosnien-Herzegowinas unter dem Schutz des Dayton-Abkommens offen.

derStandard.at: Auf den Straßen von Banja Luka kann man sich an Sie allerdings kaum erinnern. Egal wen man anspricht, die meisten Leute kennen nur die Kandidaten der drei Spitzenparteien.

Djokanovic: Das liegt daran, dass diese Parteien das notwendige Geld für eine Kampagne haben und dass die Medien hinter ihnen stehen. Die Berichterstattung ist schwer tendenziös. Die Großparteien haben auch gar kein Interesse daran, einen starken Präsidenten zu haben. Der Präsident soll ihrer Auffassung nach einfach eine willige Marionette sein und am besten keine eigene Meinung haben. Damit erklärt sich auch, dass die SNSD (Allianz der Unabhängigen Sozialdemokraten) einen alten und politisch unerfahrenen Mann wie Rajko Kuzmanovic ins Rennen schickt.

derStandard.at: Eine gewisse Politikmüdigkeit herrscht in der Republika Srpska, 12 Jahre nach dem Krieg. Die Wahlbeteiligung dürfte niedrig werden. Gibt es kein Vertrauen in die Politik?

Djokanovic: Nein. Weil die Regierung eine undemokratische ist, die Parteien immer noch die gleichen sind wie damals. Was die Menschen aber brauchen, ist eine Politik, die nicht von Karadzic, Milosevic oder eben auch Dodik (aktueller Ministerpräsident der Teilrepublik, Anm.) geprägt ist.

derStandard.at: Werden die Geschehnisse des Krieges politisch thematisiert?

Djokanovic: Nein. Die Regierung in Banja Luka ist nicht an einer Aufarbeitung der Kriegserlebnisse interessiert. Das zeigt sie der internationalen Gemeinschaft natürlich nicht. Der hält sie das eine Gesicht hin, das andere Gesicht ist aber ein dunkles und primitives, das alles totschweigen will.

derStandard.at: Die einseitige Ausrufung des Kosovo wird für Anfang Dezember erwartet. Wie wird die Republika Srpska Ihrer Meinung nach darauf reagieren?

Djokanovic: Das kann man schwer voraussagen. Ich finde es auf alle Fälle unverantwortlich, dass die Belgrader Politiker die Unabhängigkeit des Kosovo auch mit der Frage der Unabhängigkeit der Republika Srpska verbinden. Das sind zwei verschiedene Dinge. Belgrad denkt nur an den politschen Tauschhandel, nicht an die Menschen. Serbien hat bei diesem Geschäft auch nichts zu verlieren, die Republika Srpska dafür umso mehr. Im Fall der Unabhängigkeit werden wir kein gleichberechtiger Teilstaat von Bosnien-Herzegowina mehr sein, sondern nur mehr eine Provinz von Belgrad. Der derzeitigen Regierung in Banja Luka ist das leider nicht klar.

derStandard.at: Wäre eine Dreiteilung Bosnien-Herzegowinas in einen serbischen, einen bosniakischen und einen kroatischen Teil sinnvoll, wie sie der Srpska-Ministerpräsident Dodik vorgeschlagen hat?

Djokanovic: Das ist eine Frage, die Herr Dodik nicht entscheiden kann. Wenn es einen Konsens auf Ebene der Föderation gibt, wäre das allerdings eine Möglichkeit. Ja, warum nicht. Ich ünterstütze einen Vorschlag, der auf drei gleichberechtigte, souveräne Teile einer starken Föderation Bosnien-Herzegowina abzielt.

derStandard.at: Premier Nikola Spiric, der Serbe im dreiköpfige Staatspräsidium Bosnien-Herzegowinas, hatte aus Protest gegen die Maßnahmen des internationalen Bosnien-Beauftragten Miroslav Lajcak vor einem Monat seinen Rücktritt eingereicht. (Anm. Diese zielten darauf ab, die bosnische Regierung und das Parlament funktionsfähiger zu machen.)

Djokanovic: Diese Krise war sicher zu einem Großteil die Schuld der bosnischen Serben. Meiner Meinung macht er sehr pragmatische Vorschläge. Aber wir haben hier ein grundsätzliches Problem. Die Regierung in der Teilrepublik sieht sich als Opposition zu der Regierung in Sarajewo und sie schürt auch ein großes Misstrauen in der Bevölkerung gegen die Föderationsregierung. Das ist dumm und primitiv und behindert das Land letzendlich auf seinem Weg nach Europa.

derStandard.at: Wann rechnen Sie mit einem EU-Beitritt?

Djokanovic: Nicht sehr bald, weil sich auch Dodik nicht so schnell ändern wird.

derStandard.at: Was ist ihr Wahlziel?

Djokanovic: Ich möchte ein kräftiges Lebenszeichen auf der politischen Bühne abgeben, wo ich gedenke, bis an mein Lebensende zu bleiben. Der nächste Schritt wird dann die Teilnahme bei den Parlamentswahlen in ganz Bosnien-Herzegowina sein. Denn nur auf der Ebene der Föderation kann eine Demokratisierung gelingen. Und ich möchte ein Pionier dieser Demokratierung sein. Ich rechne übrigens mit baldigen Neuwahlen. (Manuela Honsig-Erlenburg/derStandard.at, 2.12.2007)