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In Deutschland darf ein Geschäfts-führer einer insolventen Gesellschaft rasch seine Schulden an Fiskus und Sozialversicherung begleichen, ohne dafür haftbar gemacht zu werden. Die Rechtslage in Österreich ist noch unklar.

Foto: APA/Hans-Klaus Techt
Ein Geschäftsführer, der erkennt, dass seine Gesellschaft insolvent ist, darf keine Zahlungen mehr leisten. Für nicht bezahlte Steuern und Abgaben haftet er allerdings persönlich. Ein deutsches Urteil schafft Rechtssicherheit, führt jedoch zur Bevorzugung einzelner Gläubiger.

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Zu den Sorgfaltspflichten eines Geschäftsführers gehört die rechtzeitige Konkursantragstellung bei erkennbarer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung (Insolvenz). Unterlässt er dieses, handelt er sorgfaltswidrig. Ein Geschäftsführer haftet dabei für alle nach einer erkennbaren Insolvenz geleisteten Zahlungen, die zu einer Schmälerung der Aktiva des Unternehmens und somit der Konkursmasse führen. Ab diesem Zeitpunkt darf er bestehende Schulden nicht mehr begleichen - auch Leistungen zur Befriedigung von Steuer- und Abgabenschulden. Ausgenommen sind nur Zahlungen, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar sind.

Diese Regelung soll verhindern, dass es im Insolvenzfall zur Bevorzugung einzelner Gläubiger kommt. Verstößt ein Geschäftsführer gegen das Zahlungsverbot, kann er gegenüber den Konkursgläubigern schadenersatzpflichtig werden.

Daneben haftet ein Geschäftsführer allerdings auch für nicht beglichene Lohnsteuern und Sozialversicherungsabgaben gegenüber der jeweiligen Körperschaft öffentlichen Rechts. Für das Vorenthalten von SV-Beiträgen drohen ihm sogar strafrechtliche Sanktionen.

Der Geschäftsführer einer bereits insolventen Gesellschaft steht derzeit vor einem Dilemma: Bezahlt er geschuldete Steuern und Abgaben nicht, haftet er persönlich gegenüber Finanzbehörde und Sozialversicherungsträger und wird gegebenenfalls strafrechtlich verfolgt. Bezahlt er diese Forderungen aus Gesellschaftsmitteln, kann er vom Masseverwalter haftbar gemacht werden.

Rechtssicherheit

Der deutsche Bundesgerichtshof hat nun in einer aufsehenerregenden Entscheidung (BGH II ZR 48/06 vom 14. 5. 2007) die Haftung von Geschäftsführern - bzw. Vorständen von Aktiengesellschaften - bei Zahlungen an den Fiskus und Sozialversicherungsanstalten entschärft. Aufgrund der persönlich drohenden strafrechtlichen Konsequenzen sei es für einen Geschäftsführer unzumutbar, die Steuern bzw. Leistungen an die Sozialkassen nicht zu leisten, entschied der BGH. Wenn ein Geschäftsführer trotz des insolvenzrechtlichen "Zahlungsverbotes" Steuer- und Abgabenschulden der Gesellschaft begleicht, handelt er "mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters" und wird deshalb gegenüber der Gesellschaft nicht schadenersatzpflichtig.

Diese Entscheidung des BGH ist aufgrund der weitestgehenden Deckungsgleichheit der deutschen und österreichischen Vorschriften zur Geschäftsführer- und Vorstandshaftung in dem hier relevanten Bereich auch hierzulande beachtlich. Nun gilt es zu klären, ob sich die in dem deutschen Judikat ausgedrückte Rechtsansicht auch auf österreichische Sachverhalte umlegen lässt.

Rechtmäßiger Ausweg

Grundsätzlich trifft den Geschäftsführer bei erkennbarer Insolvenz die Pflicht zur Insolvenzantragstellung. Stellt er keinen Antrag, muss er die rechtlichen Konsequenzen tragen. Das "Dilemma" des Geschäftsführers ist daher nicht so ausweglos, wie es auf den ersten Blick erscheint. Stellt ein Geschäftsführer oder Vorstand rechtzeitig den Konkursantrag, dann verhält er sich rechtmäßig und braucht weder strafrechtliche Sanktionen noch eine persönliche Haftung fürchten.

Folgte man der im besprochenen Judikat vertretenen Rechtsansicht, käme es zwangsläufig zu einer Benachteiligung jener Gläubiger, deren Forderungen - im Gegensatz zu Steuern und Abgaben - nicht strafbewehrt sind. Denn jeder Geschäftsführer könnte auf Kosten der übrigen Gläubiger kurz vor Konkurseröffnung aushaftende Steuern und öffentliche Abgaben begleichen, um für ihn persönlich nachteilige Konsequenzen zu vermeiden. Ein derartiges Ergebnis ist mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Konkursgläubiger, der eine tragende Säule des österreichischen Konkursrechtes darstellt, nicht in Einklang zu bringen. (Gerald Niesner, Christian Rapani, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28.11.2007)